Plus acht
Der Tag plus acht war der, an dem die Hebamme und ich uns sozusagen zum Cocktailtrinken verabredet hatten. Es war vereinbart, dass ich um 17 Uhr dies hier nett vermixt zu mir nehmen sollte.
Was ich zu dem Zeitpunkt, als ich das Ganze dann zusammenmischte und zu trinken begann, nicht wusste (weil ich den Anrufbeantworter nicht abgehört hatte) , war, dass es einen "Stau" im hiesigen Geburtshaus gab. Am späten Nachmittag war gerade eine Frau dort um entbunden zu werden und eine weitere war quasi schon auf dem Weg dorthin... Eigentlich hätte ich mit dem Trinken noch warten sollen - oder zuhause entbinden ;-).
Nun denn, als ich gerade Glas eins intus hatte und bemerkte, dass sich das Öl schon ganz schön ekelig überall in Mund, Speiseröhre und Magen verteilt, trank ich das Glas wieder rückwärts. Gleichzeitig rief die Hebamme an, gab "Stau-Entwarnung" und dann dazu den Tipp, einen Ouzo nebenher zu trinken. Gabs nicht, aber Ramazotti tats auch und das ölig schleimige Gefühl wurde aushaltbar und der Cocktail blieb drin.
Und dann passierte - nix.
So nahezu garnix.
Ich hörte eine neue CD via Kopfhörer, machte Yoga und der Gatte telefonierte lange mit der lieben Freundin.
Um 23 Uhr - rund 5 Stunden nach dem ersten Cocktailschluck gingen wir leicht entnervt und enttäuscht zu Bett.
Plus neun
00:20 Uhr - das Rizinusöl tat seine Wirkung. Mir grummelte der Bauch, ich musste zur Toilette und fand den Aufwand für nix wenig spaßig. Als der Bauch leer war grummelte nichts mehr - aber der Schmerz ging irgendwie nicht weg... Einen kleinen Moment brauchte ich, um zu begreifen, dass es eine Wehe war. Eine richtig echte Wehe. Und kaum später die nächste. Ich hockte mich hin, kniete mich wie ein Fröschlein zu Boden und suchte Stellen zum Festhalten, hineinfallen lassen in die Hocke.
01:00 Uhr - ich weckte den Gatten. Schnell in einer Wehenpause. Veratmen ging schon nicht mehr, ich musste tönen. Aber es fühlte sich gut an. Alles. Der Gatte wollte nach der ersten Wehe die Hebamme anrufen, ich jedoch zögerte und meinte, das müsse noch ewig dauern, bis das was wird. Zwei Wehen später rief er an, nachdem ich mich tönend an den hinteren Teil des Toilettendeckels geklammert in die Hocke fallen ließ.
Wir verabredeten uns für rund 2:00 h ins Geburtshaus, wobei ich sicher war, es dauert noch, so schnell muss ich noch nicht dorthin... Am Ende jedoch waren wir vor der Hebamme da.
Ich weckte - wieder schnell in der Wehenpause - meine Mutter, die unter uns wohnt, dass sie auf das grosse Kindelein schaut und wir machten uns parat. Die liebe Freundin wurde informiert - sie wollte uns durch die Geburt begleiten und das Fröschlein mit in Empfang nehmen.
Der Weg durchs Treppenhaus forderte drei Pausen fürs Wehenverhocken und - tönen (dabei hats insgesamt nur 29 Stufen...), der Weg zum Geburtshaus gelang flott und reibungslos. Nur die letzten Wehen wollte ich ungern auf dem Parkplatz vertönen, also hielten wir kurz vorher an einer einsamen Bushaltestelle. Kaum darauf fuhr die Hebamme vorbei und fragte, ob wir das Kind nun hier im Auto bekämen - aber wir fuhren dann doch schnell die letzten Meter.
Wir kamen an in einem Raum, in dem schon unsere erste Tochter zur Welt kam, genau wie meine Nichten und meine Herzensjungs. In einem Raum, in dem ich einige Wochen zuvor im Geburtsvorbereitungskurs große Lust bekommen hatte auf das Gebären unseres Kindes, unserer Lydia. Es war erst dunkel, dann zündete die Hebamme viele Kerzen an, machte schönes Licht. Um mich herum mein lieber Mann und meine Freundin, die mir Halt gaben in den Wehen, weil ich mich gegen sie lehnen konnte, weil er meinen Kopf hielt, weil sie mich von vorne stützte. Weil sie da waren.
Ich wechselte zweimal die Positionen und sass am Ende in meines Mannes Schoß im Bett, mir gegenüber auch auf dem Bett - ein 140 cm breites FutonBett - meine Freundin und die Hebamme. Ich spürte mich. Meinen Körper. Wusste ohne Worte, was gut ist, was richtig ist. Wie es geht, wo es hingeht. Wir waren ein Team, mein Körper und mein Gefühl. Beide verließen sich aufeinander und obendrein auf die drei Menschen um mich herum. Dass sie mich halten und bleiben würden, dass sie tun würden, was zu tun ist. Am meisten aber tat ich. Und irgendwo tief drinnen war ich mir dieser gewaltigen Kraft bewußt. Kein Momentchen des Zweifelns, kein Moment der Angst. Kein Moment des nicht mehr Aushalten könnens. Es gab keine Grenze in dieser Nacht im Geburtshaus. Keine einzige Grenze die ich überschreiten musste, wie ich es zur Geburt des ersten Kindeleins getan hatte. Es gab nur ein tiefes Vertrauen zu mir selbst , eine ungeheuerliche Stärke und ein Bewusstsein für beides.
Die Hebamme sagte wenig. Gab kaum Anleitungen was ich tun sollte. Weil es einfach aus mir heraus passierte. Zweimal überraschte sie mich, weil sie mir mit dem Anruf bei der zweiten Hebamme und dem Einschalten des Heizstrahlers deutlich machte, dass schon bald die Zeit gekommen ist. Die Zeit, von der an wir zu viert sein würden. Nur noch wenige Momente trennten uns von unserem Fröschlein. Niemals hätte ich das für möglich gehalten - ich war doch gerade erst angekommen. Sollte das Kind schon so bald in den Kerzenschein hinein geboren werden? Wieviel Zeit genau vergangen war wusste ich nicht. Aber dass es nicht mal annähernd ein viertel der Zeit der ersten Geburt gewesen sein konnte war mir dennoch recht bewusst. Letzlich war es ein sechstel... Beim ersten Kindelein hatte ich 16 Stunden länger in den Wehen gelegen. Hier jedoch lag ich nicht in den Wehen - ich lebte sie. Völlig anders als es damals gewesen war.
Irgendwann tastete ich das Köpfchen und schob es nachfolgend ganz heraus. Ich sah ihren Kopf und streichelte ihn und weinte Freudentränen bevor ich das Mädchen in den nächsten Wehe ganz zu uns, ganz in diese Welt brachte.
Die Hebamme nahm sie zuerst, doch sie, sie gab sie mir auf den Bauch. Sie gab mir das Mädchen zurück unter mein Herz.
Es war 03:14 Uhr als ich wieder Mutter, wir wieder Eltern wurden.
Wunderschön.
Der Tag plus acht war der, an dem die Hebamme und ich uns sozusagen zum Cocktailtrinken verabredet hatten. Es war vereinbart, dass ich um 17 Uhr dies hier nett vermixt zu mir nehmen sollte.
Was ich zu dem Zeitpunkt, als ich das Ganze dann zusammenmischte und zu trinken begann, nicht wusste (weil ich den Anrufbeantworter nicht abgehört hatte) , war, dass es einen "Stau" im hiesigen Geburtshaus gab. Am späten Nachmittag war gerade eine Frau dort um entbunden zu werden und eine weitere war quasi schon auf dem Weg dorthin... Eigentlich hätte ich mit dem Trinken noch warten sollen - oder zuhause entbinden ;-).
Nun denn, als ich gerade Glas eins intus hatte und bemerkte, dass sich das Öl schon ganz schön ekelig überall in Mund, Speiseröhre und Magen verteilt, trank ich das Glas wieder rückwärts. Gleichzeitig rief die Hebamme an, gab "Stau-Entwarnung" und dann dazu den Tipp, einen Ouzo nebenher zu trinken. Gabs nicht, aber Ramazotti tats auch und das ölig schleimige Gefühl wurde aushaltbar und der Cocktail blieb drin.
Und dann passierte - nix.
So nahezu garnix.
Ich hörte eine neue CD via Kopfhörer, machte Yoga und der Gatte telefonierte lange mit der lieben Freundin.
Um 23 Uhr - rund 5 Stunden nach dem ersten Cocktailschluck gingen wir leicht entnervt und enttäuscht zu Bett.
Plus neun
00:20 Uhr - das Rizinusöl tat seine Wirkung. Mir grummelte der Bauch, ich musste zur Toilette und fand den Aufwand für nix wenig spaßig. Als der Bauch leer war grummelte nichts mehr - aber der Schmerz ging irgendwie nicht weg... Einen kleinen Moment brauchte ich, um zu begreifen, dass es eine Wehe war. Eine richtig echte Wehe. Und kaum später die nächste. Ich hockte mich hin, kniete mich wie ein Fröschlein zu Boden und suchte Stellen zum Festhalten, hineinfallen lassen in die Hocke.
01:00 Uhr - ich weckte den Gatten. Schnell in einer Wehenpause. Veratmen ging schon nicht mehr, ich musste tönen. Aber es fühlte sich gut an. Alles. Der Gatte wollte nach der ersten Wehe die Hebamme anrufen, ich jedoch zögerte und meinte, das müsse noch ewig dauern, bis das was wird. Zwei Wehen später rief er an, nachdem ich mich tönend an den hinteren Teil des Toilettendeckels geklammert in die Hocke fallen ließ.
Wir verabredeten uns für rund 2:00 h ins Geburtshaus, wobei ich sicher war, es dauert noch, so schnell muss ich noch nicht dorthin... Am Ende jedoch waren wir vor der Hebamme da.
Ich weckte - wieder schnell in der Wehenpause - meine Mutter, die unter uns wohnt, dass sie auf das grosse Kindelein schaut und wir machten uns parat. Die liebe Freundin wurde informiert - sie wollte uns durch die Geburt begleiten und das Fröschlein mit in Empfang nehmen.
Der Weg durchs Treppenhaus forderte drei Pausen fürs Wehenverhocken und - tönen (dabei hats insgesamt nur 29 Stufen...), der Weg zum Geburtshaus gelang flott und reibungslos. Nur die letzten Wehen wollte ich ungern auf dem Parkplatz vertönen, also hielten wir kurz vorher an einer einsamen Bushaltestelle. Kaum darauf fuhr die Hebamme vorbei und fragte, ob wir das Kind nun hier im Auto bekämen - aber wir fuhren dann doch schnell die letzten Meter.
Wir kamen an in einem Raum, in dem schon unsere erste Tochter zur Welt kam, genau wie meine Nichten und meine Herzensjungs. In einem Raum, in dem ich einige Wochen zuvor im Geburtsvorbereitungskurs große Lust bekommen hatte auf das Gebären unseres Kindes, unserer Lydia. Es war erst dunkel, dann zündete die Hebamme viele Kerzen an, machte schönes Licht. Um mich herum mein lieber Mann und meine Freundin, die mir Halt gaben in den Wehen, weil ich mich gegen sie lehnen konnte, weil er meinen Kopf hielt, weil sie mich von vorne stützte. Weil sie da waren.
Ich wechselte zweimal die Positionen und sass am Ende in meines Mannes Schoß im Bett, mir gegenüber auch auf dem Bett - ein 140 cm breites FutonBett - meine Freundin und die Hebamme. Ich spürte mich. Meinen Körper. Wusste ohne Worte, was gut ist, was richtig ist. Wie es geht, wo es hingeht. Wir waren ein Team, mein Körper und mein Gefühl. Beide verließen sich aufeinander und obendrein auf die drei Menschen um mich herum. Dass sie mich halten und bleiben würden, dass sie tun würden, was zu tun ist. Am meisten aber tat ich. Und irgendwo tief drinnen war ich mir dieser gewaltigen Kraft bewußt. Kein Momentchen des Zweifelns, kein Moment der Angst. Kein Moment des nicht mehr Aushalten könnens. Es gab keine Grenze in dieser Nacht im Geburtshaus. Keine einzige Grenze die ich überschreiten musste, wie ich es zur Geburt des ersten Kindeleins getan hatte. Es gab nur ein tiefes Vertrauen zu mir selbst , eine ungeheuerliche Stärke und ein Bewusstsein für beides.
Die Hebamme sagte wenig. Gab kaum Anleitungen was ich tun sollte. Weil es einfach aus mir heraus passierte. Zweimal überraschte sie mich, weil sie mir mit dem Anruf bei der zweiten Hebamme und dem Einschalten des Heizstrahlers deutlich machte, dass schon bald die Zeit gekommen ist. Die Zeit, von der an wir zu viert sein würden. Nur noch wenige Momente trennten uns von unserem Fröschlein. Niemals hätte ich das für möglich gehalten - ich war doch gerade erst angekommen. Sollte das Kind schon so bald in den Kerzenschein hinein geboren werden? Wieviel Zeit genau vergangen war wusste ich nicht. Aber dass es nicht mal annähernd ein viertel der Zeit der ersten Geburt gewesen sein konnte war mir dennoch recht bewusst. Letzlich war es ein sechstel... Beim ersten Kindelein hatte ich 16 Stunden länger in den Wehen gelegen. Hier jedoch lag ich nicht in den Wehen - ich lebte sie. Völlig anders als es damals gewesen war.
Irgendwann tastete ich das Köpfchen und schob es nachfolgend ganz heraus. Ich sah ihren Kopf und streichelte ihn und weinte Freudentränen bevor ich das Mädchen in den nächsten Wehe ganz zu uns, ganz in diese Welt brachte.
Die Hebamme nahm sie zuerst, doch sie, sie gab sie mir auf den Bauch. Sie gab mir das Mädchen zurück unter mein Herz.
Es war 03:14 Uhr als ich wieder Mutter, wir wieder Eltern wurden.
Wunderschön.