Montag, 5. März 2018

WMDEDGT - März 2018

Frau Brüllen fragt, wie jeden fünften eines Monats: "Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag"? Geboren wurde diese Weiterführung  nach dem Aufruf zu einer Tagebuchblogwoche von ihr vor einigen Jahren. Damals war ich dabei und auch heute mache ich gerne wieder mit.

Der Tag startet wie so typische Montage: ich habe schlecht und zu wenig geschlafen. Ein Weilchen vor mir haben sich HerrNebeL und das kleine Kindelein aus unserem Bett aufgerafft, ich falle dann eben daraus, als das grosse Kindelein sich bereits verabschiedet. Ein paar Minuten nach dem Aufstehen ist alles gut - ich schaffe es trotzdem nicht eher und bin froh, dass HerrNebeL die Morgenroutine mit den Kindern gemeinsam verbringt und ich eine Randfigur bleibe. Immerhin koche ich ihm heute den Kaffee für die Fahrt und nehm ihm so ein paar Minuten Vorbereitung ab. Man muss ja auch die kleinen Dinge sehen ;-).
Um viertel nach sieben verlassen auch HerrNebeL, das kleine Kindelein und ich das Haus. Ich fahre los zum Supermarkt und kaufe für die nächsten Tage in der Klinik ein: Kaffee, kalte Getränke, Milch und dergleichen. Auf der Hälfte der Fahrt zur Klinik klingelt mein Handy und HerrNebeL fragt, ob ich seinen Garagendrücker möglicherweise mitgenommen habe. Habe ich nicht, aber ich habe einen in seinem Auto liegenlassen, was IN der Garage steht. Der andere Drücker ist ebenso verschollen und die Garage ist mit dem Notschlüssel nicht aufzubekommen. Da ich da aber auch nichts weiter tun kann, fahre ich weiter zur Arbeit. Währenddessen leiht HerrNebeL sich spontan der Mini meiner Mutter (hochpraktisch, dass wir zusammen wohnen in diesem Falle) und schaffft das Kind noch rechtzeitig zur Schule und bringt auch 2 Stückchen der Regenbogentorte, die das große Kindelein gestern gebacken hat, noch bei der Freundin des kleines Kindes vorbei. Ich sitze derweil bereits umgezogen im Büro, checke meinen Tagesplan und plane die Therapien. Auf dem Weg zur Station mache ich mir noch einen Kaffee und habe dann eine kurze Übergabebesprechung mit dem Therapeutenteam, dem Arzt und einer Pflegekraft der Station. Hier kommen manchmal wunderliche Dinge ans Licht und derzeit schwanke ich quasi täglich zwischen hysterischem Lachen, dem Bestreben, bloß nicht weiter nachzudenken und ziemlich klaren Meinungsäußerungen. Ob die allerdings jemand hört oder ernst nimmt bin ich mir derzeit meistens nicht sicher. Ich halte mich nicht geschlossen, sondern sage immer wieder, was ich denke, aber darüber hinaus ist es eine gewisse Form von Selbstschutz, mir das alles nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. Hier könnte ich langwierige Diskussionen einfügen über das Gesundheitswesen als Wirtschaftsunternehmen, den Pflegekraftmangel, chaotische Teamzusstände, mangelnde Zusammenarbeit, Reduktion der Patientenindividualität auf Punkte- und Zeiterfassungssysteme undundund. Aber ich lasse es lieber, weil es zu nichts weiter führt als Frust. 
Von 09:00 bis 12:00 Uhr behandele ich Patienten auf der geschützten Station. Heute bedarf es zwischendurch immer wieder kleineren und größeren Sequenzen der Intervention nebenher - weil die eine Patientin permanent durch alle Zimmer läuft und dort Dinge verräumt oder mitnimmt - die ihr nicht gehören. Der andere Patient findet aufgrund von Orientierungsschwierigkeiten und nur noch sehr wenig Sehkraft sein Zimmer nicht und rollt mit dem Rollstuhl entsprechend aneckend ebenfalls durch viele Zimmer. Der dritte Patient ist aufgrund eines Keimes isoliert, kann das aber nicht behalten, verlässt mehrmals sein Zimmer und muss dann leider zurückgeschickt oder begleitet werden mit einer entsprechenden Erklärung. Zuletzt ist ein Patient sehr ungehalten, weil er nicht versteht, warum die Stationstüre verschlossen ist. Er droht mir im Gespräch vehement, dass er alle Anwesenden der Reihe nach verprügeln wird, die ihn hier festhalten. Nach einiger Zeit und einigen Worten lässt er sich aber dann doch darauf ein, Platz zu nehmen und erst mal auf das kommende Mitttagessen zu warten. Die (wiederholten) Erklärungen zu der geschützten Station sind nicht wirklich bei ihm angekommen - weil er selber keinerlei Wahrnehmung dazu hat, dass er aufgrund eines neurologischen Ereignisses erkrankt ist und er sich auch in keiner Form beeinträchtigt fühlt. Tatsächlich behält er nur, dass er in einer Klinik ist - aber auch das weiß er nicht immer. Würde er die Station verlassen können, würde er auch die Klinik verlassen. Allerdings wüsste er weder, wo er wäre, noch wo er hinmüsste - selbst wenn er klar benennen könnte, dass er nach Hause will. Manchmal erinnert er die Stadt, in der er wohnt, oft ist es aber auch die falsche. Aber dass dem so ist, nimmt er auch nicht wahr. Aufgrund solcher durch neurologische Erkrankungen entstandene Eigengefährdungen ist unsere Station geschützt. Neben dem Löschen solcher Brände hier und da behandele ich mehrere Patienten in meinem Büro oder auf deren Zimmer. Im Regelfall - so auch heute - bin ich dabei insgesamt sehr entspannt und geduldig und mag es sogar sehr, auf dieser Station zu sein - auch wenn manches so durcheinander zu laufen scheint. Vor der Mittagspause kommt noch ein Patient von einer anderen Station zu mir. 
Mittags sind wir dann im Teamraum recht wenige Sprachtherapiekolleginnen, 3 haben regulär frei, 2 oder 3 weitere sind krank und die  anderen Kolleginnen verbringen die Pause anders oder haben bereits frei.
Anschließend gibt es eine einstündige Teambesprechung, in der wir mehr Zeit für den einzelnen Patienten aufwenden und auch nochmal über den Herrn sprechen, der schon seit einigen Tagen zunehmend agggressiver wird. Währenddessen schneiden wir einlaminiertes Therapiematerial aus - etwa 700 Karten im Spielkartenformat habe ich laminiert - aber alleine ausschneiden mag ich die nicht. Also helfen die ein oder andere Kollegin.
Danach habe ich noch zwei weitere Patienten, bevor ich dann noch kurze Dokumentationen am Rechner erledige. Bevor ich gehe, quatsche ich noch ein paar Minuten mit der lieben Kollegin. 
Heute fahre ich nicht das kleine Kindelein abholen, sondern muss zum Zahnarzt. Die im letzten Jahr begonnene Implantatversorgung kommt heute endlich zum Abschluss: nach einigen Jahren ohne große Backenzähne links unten werden diese heute dort eingesetzt. Bevor der Zahnarzt das allerdings macht, habe ich noch eine komplett unerwartete neue Füllung an dem Prämolar davor gewonnen - die Füllung schien nicht mehr ganz in Ordnung und der Doc machte Nägel mit Köpfen, weil er diesen Zahn später nur deutlich umständlicher würde füllen können. Nach den letzen Malen, wo zumeist eine Auszubildende mithalf und viele Abläufe völlig unrund waren, weil sie vielerei Erklärungen bedurften, behandelt mich heute ein komplett eingespieltes Team. An der Decke hängt ein Fernseher, auf dem unablässig Naturfilme gezeigt werden, was zwischendurch wirklich ziemlich entspannend ist. Nach einer Stunde ist der kleine Backenzahn gefüllt, die Schrauben in die Implantate eingeschraubt, die Brücke ist daraufgesetzt und einzementiert. Und wenn ich Glück habe, muss ich nun erst mal eine ganze Weile nicht mehr dorthin....
Bevor ich heimfahre, muss ich zwei Einschreiben aufgeben. Nach wie vor begleitet uns ein Erbstreit mit den leiblichen Kindern meines Vaters, der im letzten Sommer verstarb. Es ist zermürbend und es fällt mir ziemlich schwer, mich hier emotional zu distanzieren. Meist begleiten mich Gedanken dazu bei fast jedem Aufwachen, am Abend und oft auch auf den ruhigen Autofahrten, bei denen meine Gedanken Zeit und Raum haben, abzuschweifen und keiner gerichteten Konzentration bedürfen. Ich fürchte, dass das auch noch eine ziemliche Weile so bleiben wird. All zu oft frage ich mich, wie Menschen so wundersam sein können, so habgierig und hinterhältig. Mir fehlt vor allem der Vater und ich möchte die Dinge möglichst so regeln, wie er sie mir auftrug. Allerdings ist es manchmal schwer, genau daran nicht zu zerbrechen. Wenn all das einst ausgestanden sein wird, werde ich vermutlich eine große Party feiern.
Auf dem Heimweg beschließe ich spontan, mir ein paar Maki vom Sushi Mann meines Vertrauens zu gönnen. Hier ist es heute ziemlich leer (ich beschließe, ab jetzt nur noch montags her zu kommen - sonst wartet man auch gern mal eine Stunde auf Mitnahmegerichte), sodass ich um kurz nach sechs zeitgleich mit HerrnNebeL zu Hause ankomme. Die Garage ist inwzischen geöffnet . dank weiteren Versuchen mit dem Notschlüssel - und der zweite Garagenöffner ist auch wieder aufgetaucht - den hatte nämlich HerrNebeL selbst im Auto liegen lassen und die Garage gestern  mit einem Schalter geschlossen. 
Ich treffe im Haus auf zwei fernsehende Mädchen - die eine wurde von der Tante heimgebracht, die andere kam um 17 Uhr mit dem Bus von der Schule. Ich briet Schupfnudeln, welche die Kinder dann mit Zimt, Zucker und Apfelmus aßen. HerrNebeL nahm lieber den Streukäse.
Ich machte die ersten Kauversuche mit den Implantaten und meinem Sushi - alles noch sehr gewöhnungsbedürftig möchte ich mal sagen. Ich habe gar jetzt noch das Gefühl, dass da links unten etwas ist, was da einfach nicht hingehört. Aber das ist auch nicht verwunderlich nach vielen Jahren ohne Backenzähne. 
Ich beginne nach dem Essen zu bloggen und bringe zwischendurch das kleine Kindelein ins Bett. Das dauert eine ausgedachte Geschichte (mit immer denselben Protagonisten, die häufig Dinge angelehnt an das erleben, was wir oder das Kind hier auch erlebt hat/haben) und ein paar Lieder lang. Anschließend blogge ich weiter und bin inzwischen ziemlich genervt von neuen Mundgefühl und gönne mir deswegen ein Gläschen Wein, bevor ich gleich im Bett meinen trivialen Fantay Roman weiterlesen werde. 

Weiter Tagebucheinträge finden sich wie immer hier.