Montag, 30. April 2018

Oberbekleidung

Heute vor einem Jahr habe ich den Tag in der Küche verbracht, um eine Grillage Torte vorzubereiten. Baiser, bestrichen mit Schokolade in mehreren Schichten und dazwischen eine Creme. Das Ganze kam über Nacht in die Eistruhe, da diese Torte halbgefroren serviert wird.
Es war die letzte Geburstagstorte für meinen Vater und ich habe es genau gewusst.
So viele Dinge, von denen ich wusste, es würden die letzten sein, jähren sich nun. Manchmal ist es so wundersam, wie mein, unser Leben "einfach" weiterlief und -läuft, wie nirgends die Zeit stehenblieb, als seine zu Ende ging.

Heute hatte ich ansich einen guten Arbeitstag, an dem eine nette Praktikantin mich begleitete und mir vieles selbstverständlich abnahm. Nette Begegnungen, eine entdeckte Spur einer ehemaligen lieben Kollegin. Nebenher offene Worte, von denen ich hoffe, dass sie in irgendeiner Form Anklang finden werden, um endlich die unleidliche Teamsituation zu verbessern. Und ich hatte die Aussicht auf einen ruhigen Start in den morgigen Tag, weil wir einfach alle ausschlafen können.

Vermiest wurde mir Tag allerdings dadurch, dass ich mich aufmachen musste, Damenoberbekleidungswäsche zu kaufen.
Den einzigen BH den ich je besessen habe, kaufte ich mit Anfang 20 zur Hochzeit eines engen Freundes, weil das Kleid schulterfrei war und da irgendwas drunter gehörte. Ich ließ mich im Fachhandel beraten und gab ein Vermögen aus. Das Ding liegt noch in meinem Schrank und wäre auch noch tragbar. Allerdings wog ich damals etwa 20 Kilo weniger - sodass er heute sogar dem Tochterkind nahezu zu eng ist, weil sie trotz Normalgewicht mehr wiegt als ich damals. Seitdem besteht meine Wäsche aus vorwiegend schwarzen Sportoberteilen, Bustiers oder Tops mit eingearbeiteten Bustiers. Fertig. Am Sonntag aber trage ich wieder ein hübsches Kleidchen, wenn auch ganz und gar nicht schulterfrei, aber mit Sporttop drunter ist das schon... nicht soo hübsch. Also blockte ich mir den Spätnachmittag zum Shoppen.
Eigentlich wusste ich es schon vorher - aber heute hat es sich eindrücklichst bestätigt: Ich finde BHs schrecklich. Unbequem. Viel zu viele viel zu nutzlos, weil ich mich - trotz angeblich guter Passform und richtiger Größe - so fühle, als würde einfach die Hälfte rausfallen, sodald ich mich bewege. Die Träger sind an vielen Teilen zu kurz, obwohl ich gar nicht wirklich groß bin.  Die meist ja ganz  hübsch anzusehende Spitze  kratzt und piekt oft, und ich fühlte mich Astrid Lindgrens Lotta sehr verbunden, die Löcher in den kratzigen Pullover schnitt. Kratziger Kram auf der Haut geht einfach gar nicht. Die große Wäsche Abteilung war zudem vorwiegend nach Farbe sortiert und ich durfte mich durch gefühlte 1000 Stück auf der Suche nach der passenden Größe durchwühlen, die in keiner Form größengeordnet waren, so dass ich schon vor Betreten der Umkleidekabine komplett genervt war. Natürlich hätte ich auch ein Fachgeschäft besuchen können statt des Kaufhauses und die Beratung und Hilfestellung wären vermutlich besser gewesen. Ich kannte in der Stadt aber keines. Ich habe in rund 2 Stunden etwa 58 Oberteile anprobiert und am Ende ist es doch ein "ich bin eigentlich ein Bustier, möchte aber gerne ein BH sein" geworden, der zumindest den gewünschten Zweck erfüllt und auch noch hübsch aussieht (schwarz halt. Aber mit n bisschen Schnickeldi ;-)). Ich mag Klamotten in Umkleiden anprobieren per se nicht sonderlich gerne und bin spätestens ab Kleidungsstück 3 hochgenervt, hab die Nase voll und beginne zudem mit Selbstgesprächen, aber das heute war wirklich eine höllische Tortur. Ich hab freundlicherweise auch jedes probierte Stück wieder fein säuberlich auf den Bügel gehängt und alle Häkchen und Ösen verschlossen, so wie sie es auch vor der Anprobe waren. Ich finde, das gehört so, auch wenn die  Zustände der Umkleiden und Stellen, an denen wegzusortierende Kleidungsstücke hängen oder liegen, eine andere Einstellung der meisten Mitmenschen vermuten lässt... Es wurden viele Selbstgespräche. Oder genauer gesagt viel Flucherei neben ungläubigen Selbstgesprächen. 
Zugegebenermaßen bin ich nicht in das Preissegment über 50 Euro vorgedrungen, aber ich habe diverse Marken und  diverse Modelle in ähnlicher Größe anprobiert und bin fast überzeugt davon, dass dieser, mein zweiter (Möchte-gern) BH vermutlich mein Letzter sein wird. Ausserdem mache ich drei Kreuze, dass meine körperliche Konstitution nicht zwingend einen BH erfordert, sondern ganz hervorragend mit dem anderen Kram leben kann. Und obenrum so richtig hübsch muss oder möchte ich auch nur im Kleidchen mit Anlass sein. Und bevor hier blöde Fragen aufkommen: ja, der Gatte kann auch ganz hervorragend mit dem anderen Kram leben. Also an mir meine ich. Nur so fürs Protokoll.

Immerhin gab es anschließend noch einen neuen Nagellack, um den ich schon länger herumschlich. Ab Freitag habe ich fast eine Woche frei, sodass sich das "chinchilly" farbige Nägellackieren wenigstens lohnt. Und vielleicht merkt an dem halben Arbeitstag vor dem Wochenende darauf gar niemand, dass meine Nägel lackiert sind. Mal schauen. Und dann, dann lass ich es mir einfach ein Wochenende gut gehen. So ist zumindet der Plan.



Mittwoch, 25. April 2018

Der Job und so

Bei der Arbeit bleibt mir manchmal nurmehr ein müdes Lächeln, ein hysterisches Lachen, ein resignierendes Hinnehmen all der Zustände, die mir die Arbeit dort verleiden. Meist geschieht dies nacheinander, am Ende steht meistens die Resignation. Nach wie vor betrifft das nicht die Kontakte mit meinen Patienten. Ich arbeite gerne mit den Menschen, mag die Begegnungen und werde oft ein Stück getragen von den mir entgegengebrachten Rückmeldungen. Ich mag es, den Menschen nahe zu kommen, sie zu begleiten ein Stück, ihnen helfend zur Seite zu stehen. Ich mag es, oft auch mit ihnen gemeisam in schweren Situationen lachen zu können, wie heute, als ein Aphasiker versuchte, ein Bild zu benennen und dabei herauskam: "Er pulst die Adern" (auf dem Bild horchte ein Arzt einen Jungen mit dem Stethoskop ab). Natürlich ist es heikel, wenn ein Mensch sich oftmals nicht mehr anders äußern kann, dem mit Humor zu begegnen. Dafür aber lese ich schon so lange in den Menschen, dass es mir oft gelingt, eben diese Gratwanderung zu gehen - immer aber nur gemeinsam mit dem Betroffenen. Manchmal, manchmal da weine ich auch gemeinsam mit dem ein oder anderen - auch wenn ich professionell bin als Therapeutin. Aber eben auch Mensch. Eigentlich ist mein Job mit eben diesem Klientel ganz wunderbar.
Es sind die Rahmenbedingungen, die nicht stimmen. Diese vielen Kleinigkeiten, die sich summieren. Und es ist da ein Stück weit wiederkehrende Resignation - weil ich einfach nicht viel machen kann. Ich bin kein Entscheider. Ich bin nicht mal jemand, der gefragt wird. Es entsteht manchmal der Eindruck, als würden die, die vermutlich auch nur Entscheidungen des Konzerns, Entscheidugnen der Wirtschaftlichkeit ausführen, uns, die wir Tag für Tag am und mit den Menschen arbeiten, fragen. Wenn man dann aber genau hinsieht, Revue passieren lässt, so scheint es doch nur, als würden sie ein wenig Honig verteilen, damit die bittere Medizin, die subtil, aber unweigerlich doch später folgt, ein wenig süßer schmeckt. Da werden sukzessive die Dinge, in denen viel Herzblut eines gesamten Teams und vor allem 2 Personen steckt, die den Laden vor gerade einem Jahr in den Ruhestand verlassen haben, unterwandert, um sie wieder anzugleichen an ein mehr schlecht als recht funktionierendes System. Aber da ist niemand mehr, der seine schützende Hand über ein Konzept hält, was nah an den Patienten ist. Ein Konzept, was effektiv ist, ein Rahmen, der Möglichkeiten bietet in vielerlei Richtungen. Ein Konzept, das einen großen Teil der Patienten weit mehr profitieren lässt als alles, was bisher war. Dafür aber muss der Einzelne im Team sicherlich zu manchem bereit sein. Teamarbeit eben, Flexibilität, Absprachefähigkeit, Interdisziplinarität, Begleiten von Gruppensettings und viel Arbeit auf der Beziehungsebene. Das gelingt nicht allen - auch das macht es schwer, denn wenn diese Voraussetzungen fehlen, wünscht sich der Therapeut eigentlich die Rückkehr ins starre System, in dem ich einfach nach vorgegebenem Plan arbeite, ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf die Belange der Menschen, die wir behandeln. Solche Theraoeuten werden aber vielleicht viel mehr befragt, weil sie wohl eben diesesn Weg ebnen, zu dem das Haus augenscheinlich zurück will. Denn das starre System bietet mehr Raum für wirtschaftliche Transparenz. Mehr Raum auch für messbare Entwicklung. Standartisierte Punktesysteme. Systeme, die die Menschen nicht weiter abbilden. Tatsächlich aber fragt genau danach niemand mehr. Da kann auch ein Chefarzt mehrmals versichern, dass es wichtig, gut und richtig, gar wünschenswert sei, individuell auf den Einzelnen einzugehen, individuelle Forschritte zu dokumentieren. Der Konzern  an vorderster Front und seine Umsetzer jedoch postulieren mehr und mehr standartisierte Verschriftlichungen zur Deskription erfolgter Fortschritte im Rehaaufenthalt. Die Liebsten sind mir die Menschen in Positionen über mir, die eben dies in den höchsten Tönen loben: "Standarts benötigen weniger Zeit, alles wird doch so viel einfacher, es macht so viel weniger Arbeit!" Es bleibt mehr Möglichkeit, Therapien abzurechnen, die Zeit drumerhum wird durch das Ersetzen von Fließtext durch Zifferneingabe minimiert. Eine ganz großartige Neuerung. Wundersam, dass ebendiese Leute auf der Ebene der Empathie und der Ebene der eigenen Meinungsbildung irgendwie anders ticken. Dorthin aber geht der Weg.  Frustran.
Im Großen nimmt das in meinem Alltag nicht viel Raum ein derzeit - weil ich dennoch so arbeite, wie ich es gut mit mir, meinen Anforderungen an meine Arbeit, Therapie, Dokumentation und  meinen Vorstellungen zum Umgang miteinander und den Patienten vereinbaren kann.  Das kostet mich trotz eng getaktetem privatem Zeitplan zwar Woche für Woche im Schnitt 3 Überstunden, die weder bezahlt noch abgegolten werden, aber mir geht es gut damit. Jedoch wenn ich genau hinsehe, wird die Tragweite all dessen größer und größer. Es ist schon eine Kunst, mich da abzugrenzen. Zu akzeptieren, dass ich wenig Handlungsspielram habe. Ich schweige nicht und ich nehme auch nicht hin. Ich sage was wichtig ist, spreche, wo es mir möglich ist. Und es ist auch nicht so, als gäbe es keine Fürsprecher. Aber auch der neuen Oberärztin, die noch am nächsten von allen dran ist und die an vielen Stellen durchaus vieles objektiv passend beurteilt, sind gegen Konzernwünsche und deren Umsetzungen, so subtil sie sich auch einschleichen mögen, die Hände gebunden. 
Es ist also Tag für Tag ein Mix zwischen Besonnenheit, Akzeptanz und  Initiative gefordert, der dennoch einer großen Portion Abgrenzung bedarf, um mich nicht aufzureiben an Zuständen. Ich bringe mich ein und wende auch Energie auf, aber wenn es zu schwierig wird, wird auch mein Energiereservoir, das ich für die alltäglichen und zehrenden Dinge des Lebens außerhalb meiner Arbeit brauche, angezapft. Im Moment läuft es gut, ich komme gut zurecht und fühle mich nicht so sehr belastet, weil ich mich in Gelassenheit übe. Ich hoffe sehr, dass das noch ein ganzes Weilchen so bleiben wird. Obwohl mir das derzeit so gut gelingt, merke ich, wenn ich genauer hinschaue, dass auch das ein verdammt hartes Stück Arbeit ist.

Samstag, 14. April 2018

Kompliziert

Es ist kompliziert, dieses Leben im Moment an vielerlei Stelle. Kompliziert und kraftraubend, bestürzend und sich viel zu schnell drehend. Zuviele Baustellen an zu vielen Fronten. Manches betrifft mich direkt, manches mittelbar und bei manchem bin ich einfach nur nah dran, auch wenn es mich -eigentlich- kaum betrifft. Vieles von all dem wirft Fragen auf und Sorgen, die sich immer mal wieder ins Unermessliche steigern, bis ich es irgendwie schaffe, diese wieder zu relativieren - oder stoisch zu akzeptieren - ohne momentan viel dagegen tun zu können.
Die Situation zu Hause ändert bleibt auf einem ähnlich schwierigen Level - das tagtägliche Zusammenleben mit der Mutter zeigt eben auch tagtäglich schwindende Strukturen. Schwindendes Wissen. Schwindende Fähigkeiten. Zunehmende Hilfsbedürftigkeit. Zunehmendes Verschwimmen der Lebensräume, Verlust meines, unseres eigenen Schutzraumes, wenn denn da überhaupt noch einer ist. Es ist selbstverständlich, dass ich da bin und dass ich mich kümmere. Aber dennoch gibt es Tage, an denen es schwer ist. Und ich weiß, dass es nur noch schwerer werden wird. Allein zu diesem Thema müsste ich vieles erledigen. Manches gelingt mir und meiner Schwester. Und vieles bleibt liegen. Weil wir neben unserer Mutter eine Familie haben. Einen Job. Ein Haus. Und vielerlei andere Dinge, die Zeit und Raum fordern. Wir machen. Und lassen liegen, was nicht all zu dringlich ist. Oder was wir einfach nicht mehr schaffen. Eigentlich renne ich nur hinterher und trage dennoch kaum etwas ab vom Aufgabenberg.
Der Erbstreit. Er nimmt skurrile Formen an. Und ich frage mich nach wie vor, wofür. Ich verstehe die Beweggründe nicht. Habgier? Rache? Jedenfalls erfordert auch dieser immer wieder Handeln. Er fordert mich heraus, begleitet meine Gedanken, läuft mir über die Bettdecke, auch wenn ich das gar kein bisschen möchte. Die Abgrenzung fällt schwer. Auch hier liegt alle Handlungsnotwendigkeit bei der Schwester und mir. Letztere ist derzeit beruflich aber so eingespannt, dass sie nur wenig übernehmen kann.
Mittendrin der leibliche Vater mit einem Schlaganfall. Das Outcome war wunderbarst, alles könnte gut sein. Wenn denn nicht bekannt wäre, woher der Schlaganfall gekommen ist. Der Großteil der hirnverorgenden Arterien ist verschlossen, in eine Arterie konnte ein Stent gelegt werden. Schleichend suchte sich das Blut über die Jahre Wege, wärhend die eigentlich wegweisenden Bahnen sich mehr und mehr verengten. Ein Pulverfass.
Es tun sich viele kleine Baustellen am Eigenheim auf, die allesamt ordentlich auf uns lasten. Zuerst die Feststellung, dass viele Versicherungsauflagen nicht eingehalten werden. Die Kündigung der zusätzlichen, gemieteten Garage (wegen Eigenbedarf), die ein großes Platzproblem mit sich bringt. Die Entdeckung eines großen Schimmelfleckes im Arbeitsraum im Keller an einer Außenwand. Einige Tage später eine weitere Schimmelentdeckung in der eigenen Garage, die mit hoher Wahrscheinlichkeit vom undichten Fallrohr herrührt, das zwischen unserem und dem Haus unseres Nachbarn nach unten geführt ist. 
Die nahende Kommunion des kleinen Kindes. Ein schönes Fest, ja. Aber es will auch gestemmt und organisiert sein. 
Die Situation am Arbeitsplatz ist ...  ich nenne es mal irgendwie unglücklich. Das wichtigste passt - ich arbeite gern mit meinen Patienten. Sehr gern. Aber das Klima am Arbeitsplatz selber ist schwierig. Bedingt durch das Arbeiten im Gesundheitswesen ansich, was einfach unglaublich viele Tücken birgt aufgrunddessen, dass Klinik mehr Wirtschaftsunternehmen denn Klinik ist. Es krangt überall. Wundersame Methoden zur Herstellung von angeblicher Transparenz, um Erfolge messbar zu machen und die Wirtschaftsecke zu füttern. Der Mensch ansich verschwindet hinter Zahlencodes. Mangelnde Bezahlung vieler. Solcherlei Kram. Darüber hinaus mein Status im Team, emotional zurückgezogen nach dem letztjährigen Desaster mit der direkten Chefin. Die komplette Trennung meines Privatlebens von allen, einfach weil es mir anders dort nicht mehr möglich ist.  Ich bin ganz gut abgegrenzt inzwischen, und prinzipiell ist es okay so. Leider aber beruht es auf einer der größeren menschlichen Enttäuschengen, die mir widerfahren sind und ich werde tagtäglich darauf gestoßen.
Das Leben mit Familie ist wunderschön. Aber all zu oft verlangt es mir viel ab; das Umgehen mit zwei Mädchen in und nahe an der Pubertät rauben - trotz aller Liebe - Kraft.
Der Partner einer besten Freundin erhielt gerade die fast sichere Diagnose Krebs. 
Mitten in all dem Durcheinander übe ich Abgrenzung gegenüber mir zwar lieben, aber energieraubenden Begegnungen. Ob diese Menschen deswegen auf der Strecke bleiben, weil ich sie zu arg vor den Kopf stoße, weiss ich nicht. Aber ich weiß, wenn dem so ist, dann war da nicht genug Tragfähigkeit. Und nicht genug Empathie in meine Richtung. Dann bin ich wohlmöglich traurig darüber, aber unterm Strich wird es richtig gewesen sein. Leicht fällt mir das nicht, mich belastet ein schlechtes Gewissen, selbst wenn ich stolz darauf bin, ehrlich gewesen zu sein und stolz darauf, meine Grenzen aufgezeigt zu haben. Aber auch das zehrt dennoch.
Ich bin leistungsfähig. Ich kann aushalten. Und in großen Teilen halte ich gerade gut aus. Ich suche einzelne Eckpunkte zum Ausgleich. Klitzekleine zwar, aber immerhin. Ich weiß dennoch, dass ich, selbst wenn es gerade gut funktioniert, nah am Limit bin. Ich weiß, dass ich noch lange nah am Limit gehen kann. Aber ich weiß auch, dass der Punkt kommen wird, wo ich nicht mehr können werde. Maßnahmen sind viele durchgesprochen, durchgekaut. Ich mit mir, dem Gatten, meinem behandelnden Psychiater, meiner Therapeutin, Freundinnen. Unterm Strich mit demselben Ergebnis: mir sind die Hände gebunden, es bleibt einfach kaum mehr als weitermachen, es gibt keine wirklichen Alternativen. 
All dies zusammen laugt mich aus, im Innern und körperlich. Darüberhinaus - oder aufgrunddessen - halte ich mich an einer alten Bekannten fest, die meinem Körper die Masse raubt. Ich bin mir dessen mehr als bewusst, aber da sind gerade genug Fronten, an denen ich kämpfe. Hier kann ich derzeit keinen Kampf aufnehmen, sondern - erst mal - nur den Nutzen begrüßen, ihr Dasein akzeptieren und ein Fortschicken auf später vertagen.
Ich gehe weiter,  jeden Tag, Schritt für Schritt. Manchmal zügig und sicher, oft überfordert. Manchmal verzweifelt, zumeist mehr als resigniert, stets sorgenvoll. Aber mir bleibt keine Wahl, wie so vielen da draußen aus ganz verschiedenen Gründen auch.  Ich hoffe nur, dass ich irgendwann ankommen werde an einer Stelle voll Ruhe und Zuversicht.