Der Alltag hier ist derzeit ein Durcheinander des steten Alltages - Arbeiten für HerrnNebeL und mich, Schulalltag und Freizeitaktivitäten der Kinder - beides mit allem Drum und Dran - gekoppelt mit der zunehmenden Hilfe- und Pflegebedürftigkeit meiner Eltern. In den letzten Wochen ging es in jeder freien Minute um die Feststellung des Bedarfes an Hilfe, Beantragung von Pflegegrad, Gespräche mit ambulanter Palliativpflege, Gesprächen mit Ärzten, den Eltern, dem Vater, der Mutter. Und efertig sind wir damit noch nicht... Es ging und geht um Ideenfindung, wie wir was organisieren müssen, wie wir wem von beiden helfen müssen. Wo wir Hilfe brauchen. Und wo wir Hilfen bekommen. Ein bürokratischer Aufwand sondergleichen. Zudem ist das Führen von Gesprächen mit Ärzten oder anderen Personen recht schwierig, wenn man selber im Beruf steht und noch nach den Kindern schauen muss. Abends ist selten noch ein Verantwortlicher zugegen - selbstredend nicht. Irgendwann letzte Woche schrieb ich einfach einen Zettel mit der Anregung verschiedenster durchaus gravierende Dinge - die mein Vater nicht mehr besprechen konnte und meine Mutter leider weder verstand und zudem vergaß. Es ging um Schluckstörungen, um Morphine und parenterale Ernährung. Ich legte diesen also ins Krankenzimmer, erklärte mich dem Vater nochmals, dessen Wünsche dahingehend mir bekannt sind und nahm ihm das Versprechen ab, den Zettel einem verantwortlichen Arzt in die Hände zu drücken. Was er auch tat. Glücklicherweise kam kaum später meine Schwester dorthin und konnte nochmals das Ganze auch persönlich erklären. Und siehe da, endlich wurden Morphine angesetzt und bei Notwendigkeit der Wunsch der unterstützenden Ernährung aufgegriffen. Eine durchaus unkonventionelle Art der Arzt-Angehörigen Kommunikation, aber nun, einfach ist es eben einfach nicht. Und mir, uns war es wichtig, endlich eine weitestgehende Schmerzfreiheit zu erreichen. Kein totkranker Mensch sollte auch noch Schmerzen haben müssen, wenn dies eben abgewendet werden kann... Neben all der ganzen Organisation noch Tochter sein, begleiten, allen gerecht werden. Und neben der Krebsgeschichte noch die Demenz der Mutter tragen, Diagnostik anleiern - was das eine ist und auf den Weg gebracht - auch das Tragen des Alltags mit einem Menschen, der viele klare Momente hat, aber leider zunehmende Lückenmomente. Momente, die das tägliche Kontrollieren notwendig machen an vielen Stellen. Die Umrüstungen im Haus notwendig machen, um vorzusorgen. Vor allem aber - das Aushalten.
Es ist schwer, auszuhalten, wie der Vater abbaut. Zu sehen, wie er Schmerzen hat, wie er sich verschluckt, wie er nichts mehr isst. Wie er kaum trinkt und eintrübt. Wie er völlig schläfrig weit, weit fort ist bei einem neuerlichen Infekt bei Leukopenie. Wie er immer mehr abwesende Momente hat. Wie er sich selber wundert, dass ihm einzelne Tage - Tage an denen es ihm schlecht geht - einfach verliert, obwohl er eigentlich kognitiv noch recht gut dabei ist. Langsam, aber dabei. Wie er nicht mehr gehen kann. Oder schreiben. Wie sehr es ihm weh tut, das nicht mehr zu schaffen. Wie er Hilfe braucht beim Aufstehen und Umsetzen. Auch, wie er überrascht ist, dass ich genau das kann - mein Arbeits-Ich ist der Familie ja fremd.
Schwer ist das, und weh tut es auch.
Schwer ist das, und weh tut es auch.
Aber viel schwerer auszuhalten sind die Gedankensprünge der Mutter. Das so sehr verlustig gegangene Kurzzeitgedächtnis. Das tagtägliche, stündliche, ja ewige Suchen von Irgendetwas. Die kaputten Schallplattengespräche. Das Miterleben, wie sehr gewohnte, jahrelang gewohnte Tätigkeiten sich durchmischen, strukturlos werden und ihre Form verlieren. Das Umschlagen der Stimmung. Das Nicht-mehr Verstehen von Zusammenhängen und das gleichzeitige Durcheinanderbringen dessen, was sie verstanden hat. Fehlende zeitliche Orientierung. Störungen im Sprachverständnis.
Das alles macht mir noch viel, viel mehr Mühe.
Ich bin zudem aufgrund der räumlichen Nähe immer mittendrin. Da sind kaum noch Pausen für mich selber, keine Ruhe, keinerlei Abstand. Es zehrt, wenn auch das "da -sein" für beide selbstverständlich ist. Es ist schwer, geduldig zu bleiben, wenn auch bestimmt, aber eben geduldig mit ihr. Vor allem: es gibt keine Rast, nichts zum Auftanken. Alles, was es gibt, ist das Wissen, dass erstmal alles nur noch schlimmer werden wird, bevor das Ende kommt.
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