Donnerstag, 15. Januar 2009

Auch hier Courage

June schrieb hier etwas über Courage und ich finde Ihren Einsatz an der Stelle zum einen bewunderns- und zum anderen nachahmenswert. Ihr Beitrag erinnerte mich an eine Situation, in der mir vor Jahren ein Wildfremder beistand und ohne den ich sicherlich nichts hätte ausrichten können.

Mitten in der hiesigen Innenstadt und mitten am Tage machte ich mit meiner Schwester und ihrer gerade wenige Monate alten Tochter einen Schaufensterbummel. Es war Sommer und ich trug einen Strohhut, den ich kurze Zeit vorher geschenkt bekommen hatte. Vor dem Eingang eines grossen Kaufhauses überholte uns ein schlanker, grosser Mann, der mir den Hut vom Kopf riss mit den Worten: "Der gefällt mir, den nehm ich jetzt mit" und er ging ein wenig schneller mit meinem Hut in der Hand an uns vorbei. Ohne grossartig zu überlegen beschleunigte ich meine Schritte und forderte freundlich aber bestimmt meinen Hut zurück. Er erwiderte glaube ich nichts, lachte nur und ging noch ein wenig schneller weiter. Ich jedoch ging genauso schnell hinterher, forderte nun schärfer und bestimmter meinen Hut zurück - wieder ohne Reaktion. Als nächstes packte ich ihn von hinten am Ärmeleingriff seiner Weste, hielt ihn zurück und forderte lautstark, dass er mir per sofort meinen Hut zurückzugeben habe. Und da endlich erfolgte eine Reaktion. Jedoch in keiner Form die, die ich erwartet hatte. Mit einer ordentlichen Ausholbewegung schlug er mir so sehr ins Gesicht, dass es zum einen ungeheuerlich laut knallte, zum anderen mein Kopf herumgerissen wurde und ich nur mit Mühe auf den Beinen bleiben konnte. Gleichzeitig liess er den Hut fallen, beschimpfte mich und ging davon.
Ich stand nur geschockt und verdattert da. Viele Leute werden diesen Vorfall mitten in der Innenstadt gesehen haben. Und einer reagierte: wohl nur Sekundenbruchteile nach dem Schlag kam ein anderer junger Mann zu mir, sagte: "komm dem müssen wir hinterher, ich hab schon die Polizei am Telefon". So nahm er mich bei der Hand und wir liefen dem Kerl hinterher. Der versteckte sich erst in einem Hauseingang, bekam dann aber die Verfolgung spitz und begann zu rennen. Und wir rannten zu zweit hinter ihm her. Der junge Mann mobilisierte noch andere mitten im Laufen "Kommt mit, der Typ hat die geschlagen, helft uns" und tatsächlich schlossen sich uns noch zwei andere junge Männer an. Die gesamte Zeit telefonierte der erste mit der Polizei. Nach Durchquerung der halben Innenstadt verloren wir den Schläger. Kaum 5 Minuten später war ein Streifenwagen bei uns, nachdem wir der Polizei mitgeteilt hatten, wo wir uns nun befanden. An Ort und Stelle wurde von einer jungen Polizistin unsere Aussage aufgenommen. Sowohl ich als auch der Herr, der mir zuerst half, konnten den Täter gut beschreiben - so gut, dass die Polizistin sich nahezu sicher war, um wen es sich handelte (und nach der Identifizierung via Fotos stellte sich heraus, dass sie recht hatte). Er wurde angeklagt wegen räuberischen Diebstahls mit Körperverletzung.
Wenn der helfende Herr nicht gewesen wäre, wäre gar nichts passiert. Weil ich vermutlich einfach weiterhin verdattert in der Gegend herumgestanden hätte. Der hat grosse Courage bewiesen. Ich hab ihn neimals wieder gesehen, kannte nicht seinen Namen und konnte mich nicht nochmals bedanken. Aber dankbar bin ich ihm. Sehr.

Traurig ist einfach, dass man sich selbst mitten in der Innenstadt glücklich schätzen kann, wenn einer von Vielen reagiert. Und irgendwie sollte es so sein, wie Frau Wortteufel das in June´s Kommentaren schreibt:

"Aber wenn wir alle eingreifen, werden wir immer mehr werden, die da nicht zu- und wegschauen".


2 Kommentare:

Kathy hat gesagt…

was für eine heftige geschichte.
wie gut, daß sie noch "gerecht" ausgegangen ist.

tonni hat gesagt…

Ja Kathy, allerdings. Und auch welch ein Glück, dass es "nur" ne Ohrfeige war. Der Kerl war bereits lange einschlägig bekannt - dem wäre auch ganz anderes zuzutrauen gewesen ... *schüttel*