Dienstag, 21. Juni 2011

Von irgendwie unwichtigen Stolpersteinen

Irgendwie. Von eigentlich irgendwie unwichtigen aber den Alltag massiv beeinträchtigenden Stolpersteinen. Eigentlich sind sie nicht existentiell, aber es folgt aus der kommenden Stolperei sicherlich eine sehr hohe Alltagsbelastung für mich.
Von vorne.
Ich gehe arbeiten. Schon 15 Monate nach der Geburt des grossen Kindes ging ich - früher als eigentlich geplant aus verschiedenen Umständen heraus - ein paar Wochenstunden zurück in den Job.
Ebenso 15 Monate nach der  Geburt des Fröschleins.
Das grosse Kind geht in einen integrativen Tageskindergarten, das kleine wird familienbetreut. Nun kommt das Grosse in die Schule. Tatsächlich ist es trotz meiner Teilzeitstellt nötig, dass die Grosse auch einen Nachmittagsbetreuungsplatz bekommt - denn ansonsten bin ich angewiesen auf tägliche (!) Mithilfe von anderen. Die Vergabe solcher Plätze ist streng reglementiert. Ein wildes Punktesystem, was sich jährlich ändert, wird von der Stadt zur Vergabe angewendet. Zu Anfang machte ich mir wenig Hoffnung, vor allem weil ich verheiratet bin und "nur" teilzeitarbeitend.
Anfang des Monats aber kam Post von der Schule. Mit einem Vertrag für den offenen Ganztag. Den ich bitte ausfüllen und zuzrückschicken sollte. Sollte ich den Platz nicht mehr benötigen, möge ich mich bitte melden., Und zudem eine Einladung zum Kennenlernen war dabei, für den offenen Ganztag.
Mehrere Leute bekamen dieses Schreiben.
Und werteten dies als Zusage.
Mitnichten.
Heute erreichte mich eine Mitteilung, dass mit der Abgabe der Verträge keine Garantie zur Zusage verbunden sei und ich stünde auf der Warteliste.
De facto wurden die Verträge an alle heruasgeschickt und erst anschliessend wurden die "punktgleichen" Plätze  verlost. Ich bin auf Platz 5 der Warteliste. Von 7.

Eigentlich irgendwie unwichtig, so im grossen und ganzen. Uns geht es gut, wir sind gesund, wir haben wunderbare Kinder, eine Bleibe, einen Job.
Dennoch heisst es für mich nun noch mehr Abhängigkeit von der Familie, stetes Herumjonglieren wer wann welches Kind betreut und abholt, wo ich wann welches Kind abholen muss. Und ich habe nur zwei! Dennoch ein Organisationsaufwand, der mir schon jetzt die Schweissperlen auf die Stirne treibt, weil ich genau weiss, das wenig Ruhe und Muße im Alltag sein wird, die freien Zeitfenster für Haushalt, Kinder und zuletzt mich selber noch mehr schrumpfen. Es wird ein wildes Hin und Hergehetze. Wenig Kontinuität für das Schulkind.
 Es kann doch keine Option sein, eine nicht mal Halbtagesstelle kündigen zu müssen, um eine gescheite Betreungsmöglichkeit ohne Abhängigkeitsverhältnis zu haben? Unter uns: am liebsten würde ich das. Denn eigentlich möchte ich solch ein Durcheinander dem Schulstarter Kind gar nicht zumuten. Und mir eigentlich auch nicht. Aber auch unter uns: diese Möglichkeit kommt finanziell leider nicht in Betracht. 

Dienstag, 14. Juni 2011

Weltentauchen

Oftmals gibt es Momente, in denen möchte ich eintauchen in meine Kinder, in ihre Welt. Sehen, was sie sehen, wie sie sehen, wohin sie sehen. Spüren, was sie spüren. Denn so oft stehe ich da, und weiss nicht. Weiss nichts.
Ich kann ihre Gedanken nicht hören, ihr Gesehenes nicht sehen, weil meines so ganz anders aussieht.
Was ist das Ihre?
So sehr ich auch versuche mich hineinzuversetzen, weiss ich doch, dass es nicht meine Welt ist. Ich kann ihre Welt nicht sehen, erleben und spüren. Weil ich etwas ganz anderes sehen, erleben und spüren würde. Meine Wirklichkeit ist die meine. Und sie, alle beide, haben eine ganz andere.
Ich komme mir so fern vor. In den Momenten so allein. Noch einsamer und vor allem trauriger macht mich die Tatsache, dass meine Kinder es auch sind. Allein, weil ich sie niemals nicht in ihrer Ganzheit sehen kann.
Ich gehe mit ihnen und sie mit mir. Nebeneinander und doch jeder für sich.
Ich kann nicht in ihre Welt. Und oft fürchte ich, ich verstehe sie nicht. Missverstehe sie. Kenne sie nicht. Es macht mir Angst, sie allein mit sich zu wissen obwohl ich da bin.  Und manchmal vielleicht auch, weil gerade ich da bin.

Samstag, 11. Juni 2011

Abgestillt

Das kleine Mädchen, das Fröschlein, ist bald 2 Jahre alt. Und wurde bisher gestillt. Von Herzen gern.
Zu Anfang wedelte sie immerzu ganz in Ruhe mit dem oberen Ärmchen hin und her, ihre Fingerchen streiften sanft mein Dekollete. Immer und immer wieder.
Im ersten Jahr trank das Fröschlein nachts sehr viel, oft waren es, besonders in den ersten Monaten nur eineinhalb Stunden Abstände. In diesen ersten Monaten schrie sie des Nachts jedoch nie. Ich bemerkte ihre Unruhe, ihr Hin und Herdrehen des Kopfes auf der Suche. Ich musste mich hinsetzen, sie mochte niemals anders trinken. Ich war sehr froh, schon vorab das Bett umgestellt zu haben, sodass ich mich einfach aufsezen und an der Wand anlehnen konnte. Ich griff hinüber zu ihr, nahm sie hoch und stillte sie. In meinem Rücken die Kühle der Aussenwand, und vorne, ganz nah an mir, in mir, in meinem Herzen und auf meinem Bauch ihre Wärme und meine, sich vermischend in dieses tiefe Zueinandergehören, diese unumstössliche Einheit des Mutter-Baby Seins.
Ja ich war müde. Meistens sehr. Aber ich empfand es selten als schlimm. Ich habe es genossen.
Rund 10 Monate stillte ich voll, weil das Fröschlein nicht das allergeringste Interesse daran hatte, seinen Hunger mit irgendwelchen Breien zu stillen. So stillten wir und ich war nicht traurig darum.
Sie zeigte nach und nach Interesse an handfesten Dingen und so bekam sie alles in die Hand, was für mich und sie passte. Sie ass mit den Fingern und ich wurde von mancher Seite sehr pikiert angesehen. Ich hielt es für das Natürlichste der Welt - wenn das eben ihr Weg sein sollte, hatte ich nicht die geringsten Zweifel ihn zu gehen. Sie zeigte mir ihres und ich liess sie genau das tun, was mir auch richtig schien: das Essen begreifen.
Zunächst stillten wir kaum weniger, denn nach den üblichen zuerst ersetzten Mahlzeiten kam vor allem abends und mittags weiterhin das Stillen vor dem Einschlafen dazu. Sie wollte gern - also stillten wir.
Auch am Morgen, obwohl es nach dem Aufstehen Frühstück gab. Je älter das Fröschlein wurde, um so sonderbarer wurde ich angesehn. "Wie, immer noch?" "Ja, immer noch. Und immer noch gern."
Nach dem ersten Geburtstag etwa kam die Pulle mit Vollmilch hinzu. Wenn HerrNebeL das Kind zu Bett brachte, gab es sie schon länger mit Muttermilch, aber eben vorwiegend, wenn ich mal nicht da war. Nun brachten wir sie abwechselnd zu Bett, ich stillte, er gab ihr die Flasche. Des Nachts trank sie weiterhin, etwas weniger oft, aber zweimal musste ich nach dem eigenen zu Bett gehen lange noch nachts zu ihr.
Im Mai hätte ich für ein paar Tage nach HH fahren sollen, eine gute und für mich wichtige Fortbildung besuchen. Ich habe abgesagt. Weil ich nicht das Ende des Stillens einläuten wollte. Ich wollte warten. Warten bis sie anfängt, aufzuhören.
Noch Anfang Mai stillte ich das Fröschlein mindestens vier Mal in 24 Stunden.Oft waren es sechs Mal, obwohl sie inwzischen alles aß.  So ganz langsam aber wurde das Stillen weniger.
 In den letzten 2,3 Wochen forderte sie mehr und mehr eine "Pulle" ein. Keine Mama Milch. Eine Pulle nicht nur von HerrnNebeL sondern auch von mir. Ein paar Mal habe ich sie umgestimmt. Weil ich nicht wollte. Weil ich nicht wollte, dass sie aufhört. Weil ich einfach unsagbar traurig darüber bin.
Seit ein paar Tagen trinkt sie am Morgen ihre "Pulle". Gestern habe ich sie nicht gestillt. Und war mir irgendwann so schmerzlich bewusst, dass es vielleicht kein einziges weiteres Mal geben wird.
Ich wünschte mir sehr ein letztes, bewusstes Mal.
Sie fragte heute nach einer Pulle beim Zu Bett gehen. Ich erwiderte "Heute noch nicht. Beim nächsten Mal".
Ein vermutlich letztes Mal ein kleines, grosses warmes Mädchen auf meinem Schoss, das mich ansieht, eifrig trinkend nickt auf meine Fragen, eines, was mir mit der Brust im Mund voller kindlichem Zutrauen in die Augen blickt, was mit seinem Arm meinen Kopf dabei zu sich herunterzieht, um mich in den Arm zu nehmen. Zum letzten Mal ihr lachendes "Ham" wenn sie an mir zu trinken beginnt. Zum letzten Mal diese einmalige Nähe, die so nie wieder entstehen kann, die zwar da sein wird aber so ganz anders. Zum letzten Mal mein Baby.
Ich weiss, das Loslassen dazu gehört. Ich weiss, dass ich muss. Ich weiss, dass ich stolz sein kann auf mein Kind, das seinen Zeitpunkt gewählt hat, ein Stück weiter hinaus zu gehen, ein Stück mehr es selber zu sein. Ja, ich weiss.
Aber ich weiss auch, dass dies wieder ein Stück Endgültigkeit bedeutet. Ein weiteres "nie mehr". Ein weiterer Schritt des gross werdens. Es macht mich traurig und wehmütig, auch wenn ich weiss, dass da gerade etwas Gutes für unser Fröschlein passiert.
Ich werde es vermissen. Mehr als ich es in Worte fassen kann.
Sie ist heute 703 Tage alt, am 8.7. feiern wir ihren zweiten Geburtstag.

Samstag, 4. Juni 2011

Bürokratie

Jahr um Jahr dasselbe:
ungeheuerliche Bürokratie. Zusammensuchen und Einreichen vieler vieler Zahlen. Völlig egal, ob ebendiese Zahlen längst vorliegen. Doppelt und dreifaches Zettelchen hin und herschieben ist hier die Devise. 
Die Steuererklärung lässt uns jedesmal die Haare raufen, entlockt uns mehr als eine wüste Beschimpfung der zuständigen Ämter, verantwortlichen Politiker und derer, die im Entferntesten mit diesem Zustand zu tun haben.

Jedes Jahr zudem mehrfach das Einreichen aller Einkommensnachweise, die doch eh schon längst in der Maschinerie vorliegen. Aber ach, ja, oh, an anderer Stelle, natürlich. Im anderen Haus.  Zwar der Stadt vorliegen, aber ach, das Jugendamt, das gehört zwar zur Stadt, natürlich, aber die möchten dann bitte danke dieselben Nachweise nochmals haben. Erst im Voraus und dann noch einmal rückwirkend. Auch hier wieder doppelt und dreifach gemoppelt. Erst dann wird der Kindergartenbeitrag berechnet. Vorläufig versteht sich. Denn nachher wird derselbe ja nochmals rückwirkend berechnet. 
Und in diesem Jahr geht es noch eine Stufe weiter:

"Werte Familie NebeLeben!
Bitte reichen Sie  Ihre Einkommensnachweise ein. Rückwirkend versteht sich, für das Kindergartenjahr, das am 31.07.2010  in der Einrichtung A endete. (Weil das ja auch noch gar nicht  berechnet worden ist. Zumindest quasi. Eigentlich erst zweimal. Einmal im Vorjahr des angegebenen Kindergartenjahres und einmal im letzten Jahr. Und nun berechnen wir das besser noch einmal. Weil die letzten Abrechnungen auch erst im Herbst eingegangen sind. Oder ach, war es Winter? Jedenfalls zu lange her).
Dann reichen Sie bitte noch die Einkommensnachweise für das Kindergartenjahr, das am 01.08.2010 in der Einrichtung B begann (wir wechselten ja die Einrichtung aufgrund verschiedener grausiger Zustände) ein.  Das muss ja auch berechnet werden. Rückwirkend diesmal. Weil die Berechnungen  im letzten August und Oktober waren ja Vorausberechnungen. Nun müssen wir aber bitte nochmal nachberechnen."

Soso. Ich erlaube mir dann mal, alles in einen Umschlag zu packen. Tatsächlich erhielt ich nämlich bitte danke am selben Tage 2 Briefe zu den beschriebenen Vorgängen. Von demselben Verantwortlichen. 

"Ach, Familie NebeLeben, bitte reichen Sie uns zudem unverzüglich Einkommensnachweise ein. Für die Berechnung der Schulbetreuung. Im Voraus."

Sie ahnen es - das war natürlich ein gesonderter Brief. Versteht sich ja von selbst.
Ich bin dann mal kopieren. Und tief durchatmen.