Das kleine Mädchen, das Fröschlein, ist bald 2 Jahre alt. Und wurde bisher gestillt. Von Herzen gern.
Zu Anfang wedelte sie immerzu ganz in Ruhe mit dem oberen Ärmchen hin und her, ihre Fingerchen streiften sanft mein Dekollete. Immer und immer wieder.
Im ersten Jahr trank das Fröschlein nachts sehr viel, oft waren es, besonders in den ersten Monaten nur eineinhalb Stunden Abstände. In diesen ersten Monaten schrie sie des Nachts jedoch nie. Ich bemerkte ihre Unruhe, ihr Hin und Herdrehen des Kopfes auf der Suche. Ich musste mich hinsetzen, sie mochte niemals anders trinken. Ich war sehr froh, schon vorab das Bett umgestellt zu haben, sodass ich mich einfach aufsezen und an der Wand anlehnen konnte. Ich griff hinüber zu ihr, nahm sie hoch und stillte sie. In meinem Rücken die Kühle der Aussenwand, und vorne, ganz nah an mir, in mir, in meinem Herzen und auf meinem Bauch ihre Wärme und meine, sich vermischend in dieses tiefe Zueinandergehören, diese unumstössliche Einheit des Mutter-Baby Seins.
Ja ich war müde. Meistens sehr. Aber ich empfand es selten als schlimm. Ich habe es genossen.
Rund 10 Monate stillte ich voll, weil das Fröschlein nicht das allergeringste Interesse daran hatte, seinen Hunger mit irgendwelchen Breien zu stillen. So stillten wir und ich war nicht traurig darum.
Sie zeigte nach und nach Interesse an handfesten Dingen und so bekam sie alles in die Hand, was für mich und sie passte. Sie ass mit den Fingern und ich wurde von mancher Seite sehr pikiert angesehen. Ich hielt es für das Natürlichste der Welt - wenn das eben ihr Weg sein sollte, hatte ich nicht die geringsten Zweifel ihn zu gehen. Sie zeigte mir ihres und ich liess sie genau das tun, was mir auch richtig schien: das Essen begreifen.
Zunächst stillten wir kaum weniger, denn nach den üblichen zuerst ersetzten Mahlzeiten kam vor allem abends und mittags weiterhin das Stillen vor dem Einschlafen dazu. Sie wollte gern - also stillten wir.
Auch am Morgen, obwohl es nach dem Aufstehen Frühstück gab. Je älter das Fröschlein wurde, um so sonderbarer wurde ich angesehn. "Wie, immer noch?" "Ja, immer noch. Und immer noch gern."
Nach dem ersten Geburtstag etwa kam die Pulle mit Vollmilch hinzu. Wenn HerrNebeL das Kind zu Bett brachte, gab es sie schon länger mit Muttermilch, aber eben vorwiegend, wenn ich mal nicht da war. Nun brachten wir sie abwechselnd zu Bett, ich stillte, er gab ihr die Flasche. Des Nachts trank sie weiterhin, etwas weniger oft, aber zweimal musste ich nach dem eigenen zu Bett gehen lange noch nachts zu ihr.
Im Mai hätte ich für ein paar Tage nach HH fahren sollen, eine gute und für mich wichtige Fortbildung besuchen. Ich habe abgesagt. Weil ich nicht das Ende des Stillens einläuten wollte. Ich wollte warten. Warten bis sie anfängt, aufzuhören.
Noch Anfang Mai stillte ich das Fröschlein mindestens vier Mal in 24 Stunden.Oft waren es sechs Mal, obwohl sie inwzischen alles aß. So ganz langsam aber wurde das Stillen weniger.
In den letzten 2,3 Wochen forderte sie mehr und mehr eine "Pulle" ein. Keine Mama Milch. Eine Pulle nicht nur von HerrnNebeL sondern auch von mir. Ein paar Mal habe ich sie umgestimmt. Weil ich nicht wollte. Weil ich nicht wollte, dass sie aufhört. Weil ich einfach unsagbar traurig darüber bin.
Seit ein paar Tagen trinkt sie am Morgen ihre "Pulle". Gestern habe ich sie nicht gestillt. Und war mir irgendwann so schmerzlich bewusst, dass es vielleicht kein einziges weiteres Mal geben wird.
Ich wünschte mir sehr ein letztes, bewusstes Mal.
Sie fragte heute nach einer Pulle beim Zu Bett gehen. Ich erwiderte "Heute noch nicht. Beim nächsten Mal".
Ein vermutlich letztes Mal ein kleines, grosses warmes Mädchen auf meinem Schoss, das mich ansieht, eifrig trinkend nickt auf meine Fragen, eines, was mir mit der Brust im Mund voller kindlichem Zutrauen in die Augen blickt, was mit seinem Arm meinen Kopf dabei zu sich herunterzieht, um mich in den Arm zu nehmen. Zum letzten Mal ihr lachendes "Ham" wenn sie an mir zu trinken beginnt. Zum letzten Mal diese einmalige Nähe, die so nie wieder entstehen kann, die zwar da sein wird aber so ganz anders. Zum letzten Mal mein Baby.
Ich weiss, das Loslassen dazu gehört. Ich weiss, dass ich muss. Ich weiss, dass ich stolz sein kann auf mein Kind, das seinen Zeitpunkt gewählt hat, ein Stück weiter hinaus zu gehen, ein Stück mehr es selber zu sein. Ja, ich weiss.
Aber ich weiss auch, dass dies wieder ein Stück Endgültigkeit bedeutet. Ein weiteres "nie mehr". Ein weiterer Schritt des gross werdens. Es macht mich traurig und wehmütig, auch wenn ich weiss, dass da gerade etwas Gutes für unser Fröschlein passiert.
Ich werde es vermissen. Mehr als ich es in Worte fassen kann.
Sie ist heute 703 Tage alt, am 8.7. feiern wir ihren zweiten Geburtstag.
7 Kommentare:
Das ist so schön beschrieben, auch wenn es *auch* traurig ist. Aber solche Abschiede gehören wohl für uns alle dazu. Ich verstehe Dich gut.
Und: ich wünsche mir für mich schon heute, dass ich das Zwuckelkind so abstillen (lassen) kann, wie das euch beiden hier so wunderbar gelungen ist, und nicht wieder zwangsweise und plötzlich wie beim Knirps - das klingt toll.
Sei ruhig ein bisschen traurig. Und freu Dich über die schöne Zeit :)
Wunderschön geschrieben. So traurig schön.
Mir wird es ganz sicher ähnlich gehen wenn die Apfelina so weit ist ... was hoffentlich noch ganz ganz ganz weit weg sein wird *heul*
Es gehört dazu, ja; und bei lief es ganz wunderbar harmonisch, aber natürlich ist es fürs Mamaherz schwer.
Alles Liebe
Oh, das ist sehr schön geschrieben!Ich stille und stillte auch immer sehr, sehr gerne.
Und ich glaube ja immer noch ans Schicksal - die Geschichte mit dem Alternativfläschchen vom Papa ist DIE Lösung für mich und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt! Ich hadere seit Monaten damit, unsere Nr.3 nachts abzustillen, weil ich einfach nicht mehr kriechen kann, habe erst vorgestern wieder mal so einen Ansatz dazu gemacht, merke aber, dass ich das eigentlich vom Gefühl her gar nicht will. Diese Sache allerdings klingt für mich wie die perfekte Lösung, das möchte ich umgehend ausprobieren. Danke! :)
:°)
Wie wunderbar sie uns helfen, unsere kleinen Lebensbegleiter, das Loslassen und noch viel mehr. In den Arm nehmen wird sie dich weiterhin.
Meine 15-Jährige hat es gestern wieder getan, hat mir ins Ohr geflüstert: "Du darfst mir vertrauen, ganz sicher!" und ist für zwei Wochen verreist.
Alles Liebe
Gabriela
So groß!
Es geht so schnell, selbst bei Anton. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich jetzt schon denke, wer weiß wie lange er noch bei mir einschlafen will. Letztens hat er 10 Minuten auf mir drauf geschlafen, wie am Anfang. Da dachte ich auch, oh, dass war jetzt bestimmt das letzte mal.
Liebe Frau NebeL, ich habe mich gerade zum ersten Mal hierher verlaufen (Link bei Kugelhoch3). Dieser Beitrag ist wunderschön geschrieben und löst vermutlich bei jeder stillenden Mama Gefühle aus. Mich hat er auf jeden Fall auch sehr nachdenklich gemacht. Vielen Dank dafür. Mein Fröschlein ist zum Glück noch viel jünger, ich hoffe, wir haben noch ein wenig Zeit bis zu diesem Punkt.
Oh wie traurig! Meine Maus ist 10 Monate alt und stillt auch v.a. noch nachts. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem sie nicht mehr will aber es wird wohl irgendwann so weit sein... *seufz*
Ich hatte bei beiden Kindern einen denkbar schlechten Stillstart aber ich wollte das Stillen so sehr, dass ich es beide Male gepackt habe. Ich liebe es!
Kommentar veröffentlichen