Ich wusste, irgendwann würden sie kommen, die Fragen von meinem grossen Mädchen.
So wie ich weiss, dass auch Fragen vom kleinen Mädchen kommen werden, irgendwann.
Fragen nach "was" und "warum" und "woher".
Ich möchte nicht lügen. Doch die Frage ist , kann und will ich einer 6 jährigen die Wahrheit sagen? Prinzipiell beantworte ich ihre Fragen immer genau, gebe bei Themen, bei denen ich nicht sicher bin, wie viel gut für sie ist, kurze und relativ präzise Antworten ohne viel drumherum zu erklären und vertraue darauf, dass sie eben genau so viel fragt, wie sie es in ihrem Herzchen und Köpfchen verarbeiten kann. Hier betreffen ihre Fragen nun ganz klar mich, meine durchaus sichtbare Vergangenheit. Ich habe geantwortet, ja. Aber das war wohl eines der ersten Male, bei dem ich eigentlich keine Antwort gegeben habe. Sie sieht das "was", und weiss trotz Fragen noch immer nicht "woher" oder "warum".
Schütze ich sie, wenn ich verschweige? Oder mache ich es ihr schwerer? Wird irgendwer anders sie ins kalte Wasser schubsen und ihr ungefragt die Antworten auf ihre unbeantworteten Fragen an mich geben? Was wird passieren, wenn ich ihr klar antworte? Was wird passieren, wenn ich es nicht tue?
Ich wäge ab, kann aber nicht planen mit den eigentlichen Unwägbarkeiten.
Meinem Patenkind sagte ich vor Jahren, dass sie darauf vertrauen solle, dass ich es ihr erzählen würde. Irgendwann. Was ich auch tat - zehn Jahre später.
Nun aber ist es gleich und doch so anders. Ich bin zugegebenermassen ein wenig ratlos, ob und wie ich sie mit Beängstigendem, Sonderbarem, Skurrilem, für sie Unvorstellbarem aus meinem Leben konfrontieren mag, kann und darf. Oder sogar muss?