Montag, 5. November 2018

WMDEDGT - November 2018

Frau Brüllen fragt wie jeden 5. eines Monats seit einigen Jahren "Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?". Entstanden ist diese Idee von ihr nach einer ganzen Woche Tagebuchbloggen im Jahr 2013. Ich war damals bereits dabei und mache inzwischen wieder gerne mit. 

Der Tag startet mehr als bescheiden. An geschlafenen Stunden steht vorne eine 4, ich habe blödes Zeug geträumt und das Glas Wein, das ich nach dem gestrigen Blogpost trank, war offensichtlich schlecht. Ich ziehe mir die Decke über die Ohren und warte so lange als möglich, um jedweder schlechten Morgenstimmung der Mädchen aus dem Weg zu gehen, weil ich sicher bin, heute in keiner Form ruhig und entspannt reagieren zu können. Einmal mehr bin ich dankbar um die Morgenroutine des HerrnNebeL, der die Mädels so gut auf den Weg bringt, dass ich mich nur um mich selber kümmern muss. Der seit einiger Zeit an meinem Handgelenk wohnende Tracker knallt mir beim Aktualisieren an den Kopf, wie ich mich fühle: Der Schlaf war stressig, ausnahmslos alles orange. Ich dachte ja immer, man erhole sich wohl im Schlaf. Ich scheine anders zu sein, oder das Ding ist kaputt. Mindestens die Hälfte meines Schlafes ist immer von Stress bestimmt. Wunderlich. Immerhin kann ich mit der Anzeige der Waage heute morgen leben. Die Kinder sind aus dem Haus, ich mache mich fertig und fahre ebenfalls los. Zunächst neuen Kaffee kaufen und Schokolade, die wieder nur die Anderen essen werden. Ich bin völlig durch, auf der Fahrt holt mich wie so oft die Trauer um meine Väter ein. Sie packt mich hinterrücks lächelnd, weil ich in diesem Moment nicht weg kann. Ich sehne mich nach einer Pause, habe aber wieder einmal keine Ahnung, wie ich mir diese nehmen soll und mache, was ich immer mache - halt weiter. Auf dem Weg steigen an der liebsten Wegstelle einzelne Morgennebelfelder auf und ich verwerfe den kurzen Impuls, anzuhalten und einfach hindurch und los zu spazieren. 
Im Büro angekommen, merke ich, dass die extra besorgte Plastikbox, in der ich Kram verstauen möchte, eine  Nummer zu groß ist. Im Nachbarbüro höre ich die Kollegin schniefen und weiß, dass ich mir irgendwann ihre Befindlichkeit werde anhören müssen. Ich schließe Wetten mit mir selber ab, wann sie krank daheim bleibt. Meinen  inneren Unfairnessgefühlen gebe ich heute einen mit dem Holzhammer drüber, weil ich gar nciht darüber nachdenken will, dass ich es schlicht selber schuld bin, oder dass es halt mein eigenes Problem ist, dass ich mir eben keine Auszeit nehme, andere dies aber früher, anders, sorgsamer, was weiß ich tun. Heut geh ich diese Diskussion nicht mit mir ein. 
Ich freu mich über nette Worte auf twitter, denke kurz über meine momentan vorherrschende DauerNotfallSituation nach und lass die Notfallpillen trotzdem in der Tasche, um mir nicht noch ein weiteres Problem zu angeln. Umsichtiger Umgang macht Sinn. Der Vormittag ist hart. Ich stehe einerseits unter Dauerstrom, der Körper kommt andererseits irgendwie nicht mit. Im engen Patientenkontakt finde ich ein wenig Ruhe, weil ich mich einlassen kann auf mein Gegenüber. Ich schüttele manchmal elber den Kopf über mich, wie ich auch in solchen eignenen Hochbelastungssituationen ruhig, geduldig und empathisch mit meinem Patienten umgehen kann und es zugleich so oft schaffe, ihnen genau den Rahmen und Raum zu geben den ich mir selber nicht zu schaffen in der Lage bin. Die Pause mit den Kolleginnen schenke ich mir und trinke nur einen Kaffee in meinem Büro. Nachmittags folgt eine Besprechung, die wiederum Stresspotential mit sich bringt. Ich werde irgendwann vedammt deutlich in bezug auf meines Erachtens nach stattgehabte Versäumnisse. Sachlich, diplomatisch aber ordentlich deutlich. Nach der Besprechung kläre ich die Beweggründe dazu noch kurz mit der Oberärztin, weil der ein oder andere dadurch in keinem guten Licht rumstand. Ist mir egal, ich habe beschlossen, genau so weiter zu machen, weil ich keine Lust habe, alles einfach so hin zu nehmen und nur im Stillen zu schimpfen, wie der eine Teil der Kollegen, oder auf Konfrontationskurs, der auch unter die Gürtellinie  geht, zu gehen, wie der andere Teil der Kollegen. Mir ist nach klarer, fairer Kommunikation, Kompromisskursen und gutem Klima und so verhalte ich mich auch.
Eine weitere Patientin betreue ich noch, bevor ich nach Dokumentationen um etwa 16 Uhr heim fahre. Die Kinder sind noch nicht aus der Schule zurück. Meine Mutter ist zu Hause und bittet um Hilfe. Oft sind ihre Hilfsanfragen so unglaublich banal und gleichzeitig oder gerade deswegen schockierend, dass ich sie gar nicht wiedergeben kann. Ich helfe, keine Frage, aber stehe innerlich manchmal so ratlos da, was ich damit und mit dem Wissen, in was für Dingen sie Unterstützung braucht, machen soll. 
Ich packe anschließend ein Paket aus, in dem eine Menge Pullover für die Schwester zum Geburtstag sind (und eines für mich in fröhlichem grauschwarz :-)). Die Kinder kommen heim, wir bereden kurz ein paar Kleinigkeiten, bevor ich los fahre zum Chor in der Schule der beiden. Er besteht aus einem vokalpraktischen Kurs der Q1 sowie einigen Eltern und wenigen Schülern anderer Stufen. Die Probe ansich ist gut, ich mag die Lieder und manches, was letzte Wcohe noch gar fürchterlich war, klappte plötzlich. Anstrengend sind jedoch 2 Schülerinnengruppen, die sich niemals nicht daran halten können, nicht miteinander zu reden, während die anderen Stimmen proben. Leider findet danach noch ein Elternstammtisch der 9. Klasse statt - und eine der Elternvertreterinnen ist mit im Chor, sodass mir das Drücken darum nicht gelingt. Wir treffen uns in der Kneipe an der Ecke der Straße, quatschen ein wenig über Klassenangelegenheiten. Ich merke, wie wenig ich im Thema bin und wie selbständig das große Kind alles erledigt. Einmal mehr bemerke ich unsere an vielerlei Stelle doch recht strenge Einstellung (kaum social media Apps für die Kinder, keine Fortnite oder andere Baller Spiele, wenig TV, Reglementiereung der Handy Nutzung, kein Handy im Kinderzimmer, das Aufstellen von und Halten an Regeln...). Es ist immer wieder spannend, wie anders manche andere das sehen und agieren. 
Mir schwirrt der Kopf nach den 1 1/2 Stunden, weil die Geräuschkulisse zu hoch ist, die Gespräche zuviel, das Reden zu schnell. Mitten drin erreicht mich die Nachricht, dass HerrNebeL noch arbeitet und ich kläre kurz mit den Kindern, dass und wie sie das Abendprozedere inklusive Abendessen und Schulkram vorbereiten, erledigen sollen. Gegen zehn bin ich daheim, tausche mich kurz mit dem heimgekommenen Gatten aus. Die Kinder sind beide bereits im Bett, die eine schlafend, die andere auf dem Weg dorthin. 
Ich tagebuchblogge mit einer Kanne Kräutertee und versuche nun, ein klein wenig runter zu kommen. Vielleicht in der Wanne, vielleicht mit dem derzeitigen Hörbuch. Darüber hinaus hoffe ich auf eine bessere Nacht und einen entspannteren morgigen Tag. Letzlich erfüllt sich diese Hoffnung momentan sehr selten, sodass ich eigentlich mit einer innerlich sehr hohen pessimistischen Grundstimmung sowohl in die Nächte als auch die Tage gehe. Mir scheint, das ist insgesamt keine gute Idee - leider gelingt das aus Gründen gerade kaum anders.
Vielleicht nächten Monat wieder.
Mehr Tagebuchbloggerei wie immer hier.

Keine Kommentare: