Sonntag, 26. März 2017

Kindermusik

Das große Kind verbrachte sein Wochenende auf der Freusburg. Eine frühmittelalterliche Burg im Siegerland, die seit vielen Jahren als Jugendherberge genutzt wird. Zum ersten Mal durfte sie an der Orchesterfahrt des Schulorchesters, dem sie seit etwa 1 1/2 Jahren angehört, teilnehmen. Sie kam mit sehr müden, aber leuchtenden Augen heim. Vier bis fünf Proben gab es am Tag und nebenher einen gemeinsamen langen Spaziergang, bunte Abende und viel Beisammensein. Wie sich das gehört, gab es für die zum ersten Mal teilnehmenden Mitglieder auch eine Taufe - was die Tüte nasser Anziehsachen im Koffer erklärt. Neben der Müdigkeit gabs noch leichte, weitere Blessuren - die Lippen des Kindes sind so viel Klarinettenspielerei am Tag nicht gewöhnt. Zudem war sie kaum vorher auf eine etwas höhere Blättchenstärke umgestiegen, was das Anblasen wohl auch verändert (fragen Sie nicht. Ich bin mehr der Streicher). Diese Fahrt bestätigte, was das Kindelein schon vorher erklärte: das gemeinsame Musizieren gefällt ihr momentan viel, viel mehr als der Unterricht. Und es fordert sie mehr. In der derzeitiegen Musikschule gibt es aber keine Gelegenheit zu gemeinsamem Spiel, kein Ensemble, kein Orchester. So haben wir uns spätestens heute nahezu komplett entschlossen, die Musikschule zu wechseln. Und ich hoffe sehr, dass es dem Kind wieder mehr Laune auch am Spielen allein zurückbringt. 
Ich weiss nicht mal mehr genau, seit wann sie Klarinette spielt, ich meine sie war neun, als sie begann. Wir hatten uns schon lange gewünscht, dass sie musiziert, vowiegend um einen alternativen Weg zu haben, Emotionen fließen zu lassen, auszudrücken. Natürlich auch der Wunsch, dass sie wirklich Spaß gewinnt an der Musik. Klarinette hat sie sich selber ausgesucht und wich nicht davon ab, auch nicht bei vielen Überredungsversuchen seitens der Großeltern, erst mit Blockflöte zu beginnen (die komplette Familie spielt außer der Piccolo Flöte wohl insgesamt alle Blockflötenarten). Letzlich kaufte sie sich damals einfach eine Flöte von ihrem Taschengeld mit dem Ziel, dass einfach mal alleine für sich zu machen und verfolgte den Klarinettenwunsch weiter, bis ein Platz frei wurde. Sie spielte tatsächlich eine Weile Blockflöte für sich und mit den Großeltern, bis dann die Klarinette irgendwann die einzige wurde.  Sehr schnell zeigte sich unserer Meinung nach eine ordentliche Musikalität, vor allem ein wahnsinniges Rhythmusgefühl. Die Stellen, die ich bereits mitzählen musste, gelangen dem Kind einfach so. Kein Zählen, kein Tippen mit dem Fuß, nichts. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie sie das macht. Sie liest die Noten - und spielt. Und ist im Takt. Und das ist bei zunehmender Komplexität der ganzen Geschichte irgendwie noch immer so. Sie scheint die Noten zu lesen wie ein Buch, sie zu verinnerlichen und wieder nach außen in die Klarinette zu bringen. Komplett bewundernswert. Seit längerer Zeit komme ich nicht mehr in den Genuß, das hier daheim zu hören - denn sie übt nicht. Nahezu nie. Nicht, weil sie es jetzt so gar nicht mehr mögen würde, sondern weil sie in der Regel all das kann, was ihr Lehrer von ihr fordert. Als ich ihn nach  der zweiten gemeinsamen Stunde (es gab einen Lehrerwechsel, weil der erste Lehrer nach seinem Studium zurück in die Heimat Korea ging) traf, begrüßte er mich mit den Worten: "Sie ist gut!" Das ist zweifelsohen schön zu hören - viel wichtiger jedoch ist mir, dass es ihr auch Spaß macht. Und das scheint einfach seit einer Weile im Unterricht nicht mehr so zu sein, auch wenn sie ihren Lehrer mag. Darum nun der Schritt in eine neue Schule - nachdem das Kindelein schon mehrfach versucht hat, Wünsche für den Unterricht zu äußern, die leider irgendwo verpufften. Und das, was ihr eben wirklich viel bedeutet, das gemeinsame Musizieren mit anderen, kann diese Musikschule nicht leisten. Zeit für Veränderung. Dieser Tage werden wir uns mal eine Unterrichtsstunde dort ansehen. Ich bin gespannt.
Das kleine Kindelein wünschte sich seit Wochen den Besuch des hiesigen Familienmusikfestes, auf dem diverse Instrumente - neben viel weiterem Programm des hiesigen Sinfonieorchesters - ausprobiert werden konnten. Zu Beginn jedoch ging gar nichts. Mal hier schauen, dort schauen. Aber sie fasste weder ein Instrument an, noch probierte sie es irgendwie aus. Nach dem Besuch einer Musikmärchenvorstellung gingen wir zum zweiten Mal in den Raum der Blechbläser, in dem ein Saxophonlehrer (Blechbläser? Ist das nicht auch ein Holzblasinstrument mit Blättchen am Mundstück?!) das Kind offensiv ansprach und zum Handeln brachte - und zack, hing ein kleines Saxophon um ihren Hals, dem sie einigen Töne entlockte. So war der Knoten geplatzt und sie testete noch die Gitarre, die Geige und das Cello. Heraus kristallisierten sich zwei Favoriten: Gitarre und Cello. So werden wir nächste Woche davon auch Unterrichtsstunden ansehen. Das Großartige daran ist, dass uns gegenüber eine Zweigstelle dieser Musikschule ist, in der beide Instrumente unterrichtet werden. Nachfrage für Klarinettenunterricht gibt es hier leider keinen, sodass das große Kind weiterhin mit dem Bus in die Innenstadt fahren müsste. Auch hier bin ich sehr gespannt, für welches Instrument das kleinere Kind sich entscheiden würde. Und ob dann am Ende der Wunsch nach mehr Tanztraining in der Woche oder das Musikinstrument gewinnen wird.

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