Montag, 23. Januar 2017

Digitale Medienerziehung

Seit einer Weile ist dieses Thema hier ein Dauerbrenner. Genau genommen eigentlich mit dem Einzug eines tablets. Damals waren die Kinder etwa neun und fünf. Das Gerät war deutlich spannender als der Computer. Natürlich wussten die Kinder auch so ein, zwei Dinge, die der Computer kann, keine Frage. Sie hatten Berührung mit youtube Filmchen, die wir auswählten, weil da so schön praktisch manches Kinderbuch verfilmt war oder der kleine Maulwurf immer auf Abruf stand. Oder die Sendung mit der Maus auch abweichend von den Fernsehzeiten lief. Das große Mädchen arbeitete damals bereits selber am Computer mit Antolin oder lernte in der Schule die Grundzüge des Recherchierens. Dass ich einen blog schreibe wussten ebenfalls beide. Aber so richtig interessant wurde die ganze Geschichte erst durch das tablet. Faszinierend dieses Herumgewische und Getippe auf dem Bildschirm, viel größer als auf dem Handy. Und natürlich wussten sie längst, dass das Ding auch ganz hervorragend zum Spielen taugt. Das ein oder andere Spiel wurde installiert, und sie durften darauf spielen. Das Ganze war - und ist immer noch - zeitlich begrenzt. Was immer schon Diskussionsgegenstand war (und heute noch ist).

Das große Kind wechselte zur selben Zeit auf die hohe Schule. Und bekam ihr erstes Handy. Wir leben in der Großstadt, es hat fast nirgends mehr Telefonzellen (tatsächlich kenne ich eine einzige im Innenstadtbereich des einen Stadtteils). In der Schule ist ebenfalls kein Münztelefon wie zu meiner Schulzeit. Da war das Handy nur die logische Konsequenz. Es gab ein klitzekleines, günstiges smartphone mit 2,3 Spielen darauf sowie ein paar Freiminuten und FreiSMS mit derOption des stets möglichen kostenlosen Telefonierens ohne Verbrauch des  Minutenkontingentes mit uns Eltern. Und Regeln zur Handynutzung (die zum Teil auch von den Schulregeln abwichen. Diese erlauben beispielsweise den Handygebrauch in der Mittagspause. Wir allerdings hatten das bis auf die Ausnahme notwendiger Telefonate verboten). Soweit, so gut erst mal. Auch hier gab es Diskussionen. Über die Nutzungszeit, insbesondere die Spiele betreffend, über den Nutzungsort, den Wunsch der kleinen Schwester, auch mal am Handy spielen zu dürfen. So Klassiker halt.

Nach einer Weile dann gab es Dauerdiskussionen. Über das Nutzenwollen des Internets auf dem Handy. Und vor allem über Nachrichtendienste. Unsere bisherige Meinung dazu war ein klares: "Nein." Das Kind diskutierte dennoch weiter. Was unser "Nein" nicht weiter ins Wanken brachte. Nach und nach aber hatte jedes Kind im Dunstkreis des großen Mädchens einen Nachrichtendienst auf dem Handy. Der bevorzugte Kommunikationsweg war - dieser Nachrichtendienst. Wir blieben erst hart. Redeten mit einigen bekannten Eltern aus diesem Kreis. Es gab kaum jemanden mit unserer Meinung. Kaum jemanden, der die Kinder zu jung fand. Kaum wen, der wusste, dass es eine Altersbegrenzung gibt. Ich wette gar keinen, der die Nutzungsbedingungen komplett richtig verstanden hat was diesen Punkt angeht (inklusive mir selber im Übrigen. Genau lesen und nicht nur überfliegen ist ratsam...). Wir wurden von den meisten Eltern als viel zu streng angesehen. Das aber war nicht der Punkt, das gegebene "Nein" letzlich aufzuweichen. Der Grund war, dass das Kind die Einzige war, die diesen Nachrichtendienst nicht besaß. Was natürlich alle Kameraden wussten. Anstatt sich beispielweise  solidarisch zu zeigen - meinetwegen gegen die strengen Eltern . war das Thema für große Kind im Schulalltag kein Schönes. Sie stand am Rand. Hinzu kam, dass das Kind sowieso schon einen kleinen Sonderstatus in der Klasse hatte - sie war die Jüngste. Nicht die jüngste in ihrem Jahrgng, sondern ein bis zwei Jahrgänge jünger als die Anderen. Und sie war raus, was den schnellen Kommunikationsweg betraf. Und tatsächlich rief keiner mehr an, um sich zu verabreden wie zur Grundschulzeit. Und natürlich fehlten ihr so manche Informationen, die die gesamte Klasse über den Nachrichtendienst verteilte. Und das war der auschlaggebende Punkt. Unsere Prinzipien durchsetzen in dem Wissen, dass das Kind auch deswegen am Rande steht. Dass das Kind schwer Anschluss findet, sowieso schon, aber nun durch den herrschenden Kommunikationsweg noch mehr Schwierigkeiten hat. Und so wurde aus dem klaren "Nein" ein "Ja." Mit Regeln. Sie nutzt den Nachrichtendienst seitdem. Allerdings nicht komplett alleine beziehungsweise nicht komplett ohne Kontrolle. In regelmäßigen Abständen schauen wir uns ihre Verläufe an. Nicht, um ihre Privatgespräche zu lesen. Sondern um zu kontrollieren, ob sie es schafft, verantwortungsvoll mit diesem Medium umzugehen. Es gab bereits sehr unschöne Dinge, zumeist welche, die sie erhielt in  Einzel- und Gruppenchats. Die viel zum Anlass genommen wurden, wieder und wieder über die digitale Welt und ihre Risiken, sowie Verhaltensregeln zu sprechen. Ja, wir entdeckten auch Regelverstöße der Regeln, die wir aufgestellt hatten. Die hatten auch Konsequenzen, aber nicht dahingehend, dass der Nachrichtendienst entfernt wurde.
Heute bin ich an vielen Stellen froh über diesen Kommunikationsweg mit der Tochter. Schon allein, weil ich telefonisch im Büro witzigerweise unerreichbar bin, ausser über das Bürotelefon - dummerweise bin ich ja aber häufig gar nicht im Büro. Und Anrufe zeigt das Festnetzgerät nicht an. Nachrichten via Internet kommen auf dem Handy an. Anrufe und SMS meist nicht. Und wenn, dann kann ich absolut gar nichts verstehen. Das alltägliche "mal eben" Kommunizieren aus dem Bus oder sonstwo, die schnelle Info, dass sie später kommt, was auch immer. Dennoch - so ganz glücklich sind wir damit dennoch nicht. Nach wie vor ist K1 eine Regelbrecherin. Nicht nur beim Nachrichtendienst oder der sonstigen Handynutzung. Auch ganz gern im restlichen Allag. Es sind nie schlimme Brüche, eigentlich auch nur von uns aufgestellte Regeln und keine allgemeingültigen. Beispiele dafür wären das Nutzen eines Profilbildes, auf dem sie deutlich zu erkennen ist. Das Versenden von Kettenbriefen via Nachrichtendienst. Die Nutzung des Handys im Kinderzimmer.  Es ist, was das Handy angeht, nie etwas Gravierendes geschehen. Dennoch wäre mir manchmal wohler, wenn der Kommunikationsweg unter den Kindern anders wäre. Stundenlanges Telefonieren. Zum Spielen abmachen per Telefon. Einfach mal bei der Freundin 5 Häuser weiter vorbeigehen. Aber das liegt ausserhalb meines Einflußbereiches. Was ja aber nicht heißt, dass ich das toll finde, dass alles über das Handy läuft.

So langsam aber kommen weitere Wünsche und weitere Anfragen hinzu. Diese App, jene App, welche App. Manche App hat sie, zur Bearbeiteung von Fotos beispielsweise. Selbst die erst  nach langem Suchen werbefrei. Nach wie vor ist sie mit Abstand das jüngste Kind in der Klasse. Es gibt Kinder darin, die sind schon 14. Unsere ist 11. Da schwirren facebook, Instagram, pinterest, twitter herum. Hier und da. Wir stehen bei einem klaren "Nein." Zum einen, weil ich etwas aufmerksamer gelesen habe. Zum anderen, weil wir hier beschlossen haben, dass vor Vollendung des 16. Lebensjahres keinerlei öffentlichen Netzwerke für die Kinder mit eigenem account zugänglich sein sollen. Aus diversen Gründen. Angst ist ein ganz großer. In verschiedene Richtungen. Vor allem aber fühle ich mich grenzenlos überfordert, dem Kind die nötige Medienkompetenz zu vermitteln, die es meiner Meinung nach zur Nutzung solcher Netzwerke bedarf. Zudem halte ich eine gewisse Reife dazu ebenfalls für unabdingbar. Und nennen wir das Kind mal beim Namen - so pubertierende Teenager sind oftmals weit von reif entfernt, was in der Natur der Sache Pubertät liegt. Keinen eigenen Account besitzen heisst aber nicht, dass ihr der Zugang dazu komplett verwehrt ist. Natürlich darf sie bei mir über die Schulter sehen, natürlich erkläre ich ihr vieles am Rechner und auch ohne. Nur dieses freie Agieren bleibt noch unter Verschluss.
Neben der Vermittlung des notwendigen Know Hows, der Einhaltung der Regeln, der notwendigen Reife, die vonnöten sind, sich irgendwann anonym oder öffentlich allein durchs www zu bewegen beschäftigt uns natürlich noch manch andere Frage.

Was stellen wir für Regeln auf und Warum?
Wie gehen wir um mit der ständigen Präsenz digitaler Medien im Alltag?
Was leben wir den Kindern vor?

Dabei stelle ich immer wieder fest, dass wir streng sind. In so vielen Kinderzimmern von Grundschülern liegen tablets mit nahezu frei einteilbarer Zeit. Die Kinder der Freunde und Familie daddeln stets am handy wenn man sie trifft. Auch wenn da Spielkameraden sind. Fast jedes Kind, das ein Handy hat, hat es mit im Kinderzimmer bei freier Zeiteinteilung. Sie glauben nicht, wie oft des Kindeleins Handy zu später Stunde unter der Woche im Wohnzimmer noch blinkt. Auch schon mal mitten in der Nacht. Computernutzung ohne Aufsicht. Solche Dinge. Ich schau dem Kind nicht immer über die Schulter am Rechner. Aber ich bin in der Regel im selben Zimmer, zumindest bei Internetdingen. Wenn sie nur etwas tippen muss, dann gern im Kinderzimmer. Surfen ginge dort mangels WLAN allerdings sowieso nicht. Und das sind nur einige Regeln, die bei uns anders sind. Dabei habe ich durchaus das Gefühl, dass unsere Kinder Freiheiten im www haben. Nur bewege ich mich in der Nähe und lasse sie nicht allein, Ich weiss in der Regel was sie schauen, helfe mitunter bei der Auswahl. Sie sind nicht allein und das finde ich ehrlich gesagt wichtig. Es gibt nach wie vor Zeitbegrenzungen. Und die liegen täglich bei deutlich weniger als einer Stunde für beide Kinder.
Ansich bin ich überzeugt von diesem Weg. Manchmal erstaunt, dass es woanders so viel lockerer ist. Manchmal auch unsicher. Vor allem aber wie gesagt etwas überfordert, wie ich, wie wir diese Mammutaufgabe der digitalen Medienerziehung so hinbekommen, dass die Kinder sich eines Tages sicher in diesen Medien bewegen und einen gesunden Umgang damit finden.

Und ich bin neugierig - wie machen Sie das so?!

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