Frau
Brüllen fragt wie jeden 5. eines Monats seit einigen Jahren "Was
Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?". Entstanden ist diese Idee
von ihr nach einer ganzen Woche Tagebuchbloggen im Jahr 2013. Ich war damals
bereits dabei und mache inzwischen wieder gerne mit.
Nach ein paar Tagen ohne Arbeit verlasse ich heute das Haus wieder um kurz nach sieben. Glücklicherweise hatte ich mir vorgenommen, heute nicht an der um 07.15 Uhr beginnenden Morgenmeditation, die ein Kollege seit einigen Wochen an meinem Arbeitsplatz anbietet, teilzunehmen - denn um 06.45 erreicht mich die Nachricht, dass diese heute ausfiele. Ansonsten wäre ich wohl schon unterwegs gewesen.
Ich komme dennoch recht früh im Büro an und stelle fest, dass es noch ganz schön dunkel ist im Gegensatz zur letzten Septemberwoche. Mir scheint, die Zeit ist gekommen, den farbwechselnden Plastiktannenbaum - der gar nicht wirklich nach Weihnachten aussieht und der vom Gruselwichteln vor einigen Jahren stammt - einzuschalten. Um kurz vor acht kommt die liebe Kollegin rein und freut sich gleich über den leuchtenden Kitschbaum.
Wir tauschen ein paar Neuigkeiten aus; anschließend verräume ich die Arbeitswäsche von insgesamt 6 Kolleginnen und bereite mich weiter auf meine Patienten vor.
Um halb neun koche ich mir einen Kaffee und gehe auf die Station, drucke Stationslisten und Tagespläne. Um viertel vor neun beginnt die Frühbesprechung mit Pflege, Arzt und den therapeutischen Kollegen. Hier schüttele ich innerlich wieder einmal den Kopf über respektlose Äußerungen, lasse es aber für heute gut sein, dies auch anzumerken. Ich bin es zu müde. Ab neun Uhr versorge ich 7 Patienten planmäßig und eine noch dazu, deren Mittagessen ich begleite. Ein wenig resigniert erkläre ich auf Nachfrage einer Kollegin aus der Pflege, warum ich bezüglich der Nahrungsaufnahme bei dieser Patientin so entscheide, wie ich eben entscheide. Es ist völlig okay, wenn Kollegen nachfragen, ermüdend aber ist, dass so unglaublich viele Mitarbeiter keinerlei Ahnung von Schluckstörungen und dem Umgang damit haben und zudem nicht richtig eingearbeitet werden, sodass sie die Abläufe nicht kennen und auch die Stellen nicht finden, an denen sie nachlesen müssen. Fakt ist, dass wir Sprachtherapeuten eine Diagnostik machen und entscheiden, welche Kostform ein Patient zu sich nehmen darf, oder ob derjenige künstlich ernährt werden muss. Und es ist zehrend, wenn Kollegen auch nach Jahren Berufserfahrung in dem Bereich noch die entsprechende Kostform und angedickte Getränke mit Mißfallen kommentieren und es den Betroffenen noch schwerer machen, Uns Therapeuten hinterherrennen, dass Patient xyz aber lieber Brötchen möchte statt Breikost (das weiß ich. Das ist uns allen völlig bewußt. Die Kolleginnen aber scheinen zu glauben, dass unsere Entscheidungen nur dazu dienene, die Patienten zu ärgern)....
Es bleibt mir trotzdem noch Zeit für einen schnellen Kaffee mit 2 Kolleginnen in der Pause. Freitags ist es derzeit ruhig im Teamraum, was mir sehr entgegen kommt. Am Nachmittag habe ich noch drei Patienten in der Therapie, bevor ich dokumentiere und ein wenig aufräume. Kurz vor meinem Arbeitsende findet in meinem Büro - weil es das größte ist - eine Gruppe statt, die meine liebe Kollegin leitet. Heute ist diese Zeit angefüllt mit großer Situationskomik, und es fällt mir wirklich schwer, nicht lachend vom Stuhl zu kippen - ich dokumentiere zeitgleich weiter an meinem Rechner und bekomme so die erste Viertelstunde der Gruppe mit.
Völlig ungewöhnlich für einen durchschnittlichen Arbeitstag bin ich pünktlich zum Ende meiner Arbeitszeit umgezogen, mit allem fertig und gehe tatsächlich zeitig heim.
Es ist wunderschönes, sonniges Wetter, leider in der Sonne schon wieder viel zu warm für die morgendlich angezogene Kleidung. Egal. Auf dem Weg halte ich bei einer Drogerie und kaufe Adventskalender für die beiden Kinder - in diesem Jahr ist weniger Aufwand mehr und ich werde keine Säckchen befüllen. Zum ersten Mal seit vielen,vielen Jahren. Ein bißchen mit Wehmut, ein bißchen mit Erleichterung, dass nun schon alles besorgt ist und ein bißchen mit Freude über den Ressourcengewinn für mich.
Daheim treffe ich kurz HerrnNebeL, der auf dem Weg aufs Rad und in den Wald ist. Ich koche Kaffee und tippe ein wenig. Das große Kind ist mit der Freundin und Beinahe-Nachbarin zum Modern Dance Training gefahren. Ich fahre mit dem kleinen Mädchen irgendwann später los, hole erst das große Kind ab und anschließend eine Freundin vom kleineren Mädchen. Alle drei bringe ich um 18.15 Uhr zum Cheerleading - Training.
Von dort aus fahre ich an den Stadtrand, in den Friedwald, in dem mein Vater vor zwei Wochen bestattet wurde. Es ist eben so schönes Wetter wie an diesem Tag. Von der Lichtung mit dem Kreuz gehe ich ein Stück hinein in den Wald, zu "seinem" Baum, setze mich dort hin, lehne mich an seinen Stamm, sehe der Abendsonne beim noch leisen Druchdringen des Waldes zu, lausche dem Wind und höre und sehe hier und da die Bucheckern fallen.
Innehalten. Nicht begreifen. Durchatmen, um nicht von der Erschöpfung, die die Ereignisse der letzten Monate, Jahre, mit sich brachten, hinterrücks überrannt zu werden. Ich kann nicht lange bleiben, sodass es leichter fällt, im Jetzt und Hier zu verweilen.
Ich fahre heim, gehe noch kurz in die Wohnung, um mich dann zu Fuß auf den Weg zu machen ins Road Stop, etwa 1,5 km von zu Hause entfernt. Dort treffe ich einen Teil meiner alten Hockeykolleginnen, darunter 2 meiner engsten Freundinnen zum allmonatlichen Stammtisch. Vermutlich werde ich dort das ein oder andere Bierchen oder einen kleinen Cocktail trinken, ganz sicher auch einen Kaffee. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit komme ich vor Mitternacht heim, da ich morgen arbeiten muss. Vielleicht kämpfe ich die dortige Arena noch gelb und lasse ein starkes Pokemon da. Und wer ein GEschgenk von WildWildWest bekommt, das habe ich genau dort aufgesammelt :-).
Weitere Tagebuchbloggerei findet sich wie immer hier, bei FrauBrüllen.