Freitag, 14. Juni 2013

Aufpassen

Wenn es am Abend später und später wird, ehe ich den Weg ins Bett finde, der Schlaf auf sich warten lässt, die Gedanken kreisen und rattern und keine Ruhe geben, ich Nacht für Nacht wieder und wieder erwache; wenn mein Blick unbewegt in die Ferne schweift und haftet, die Schwere Besitz ergreift von meinen Gliedern, das Herzchen scheinbar grundlos doch unentwegt sticht, Bilder in meinen Kopf schießen, die längst vergangen sind; wenn Gedanken kommen, die so gar nicht meine zu sein scheinen, ich noch mehr als sonst schon vergesse, die Worte dessen der zu mir spricht gar nicht in meinem Kopf ankommen und ich das Gesprochene nur sehe; wenn das, was ich höre über das hinausgeht, was zu hören ist, ich manchmal kaum atmen kann, dann sollte ich wissen, dass es Zeit ist, aufzupassen. Oder darüber nachdenken, ob es denn für das Aufpassen nicht schon zu spät geworden ist.

Montag, 10. Juni 2013

Stockend

Es schreibt mich nicht, meine Worte sind stockend und stehen hilflos umher. Obwohl es sicher so manches gäbe, was fließen könnte. Manchmal frage ich mich, ob es eben einfach so ist, ob es irgendeinen Grund in mir hat, oder ob gar die täglichen Medikamente ihr Übriges dazu tun. Seit sie (wieder) zu meinem Alltag dazugehören ist es hier still geworden. Schade finde ich das, wo hier doch mein Platz war, all die gestauten Worte fließen zu lassen. 
Bald kehrt hier wieder Alltag ein, Alltag mit meiner Familie und Alltag mit meinem Job. Mit dem Job, den ich nie wieder ausüben wollte, mit der Arrbeitsstelle, die ich niemals wieder besuchen wollte. Mir scheint aber, ich habe keine andere Wahl. Die Alternative wäre, bald ausgesteuert zu werden und beim Arbeitsamt zu stehen. Und es würde wohl eine wilde Gutachterei und ein Kampf meinerseits entstehen, dass ich eben diesen Job nicht mehr auszuüben vermag. Mit vermutlich recht wenigen oder schwierigen Perspektiven. Das will ich nicht. So werde ich zurückkehren in mein Büro und weiterhin Patienten therapieren und nebenher eine Fortbildung machen, in der Hoffnung, bald an anderer Stelle, anderer Institution als der Klinik einen Job zu finden.
Ich habe Angst. Große Angst, dass ich die Rückkehr nicht schaffen werde, dass ich nicht zurechtkomme mit den Patienten, den Behandlungen, den Belastungen durch das Arbeitsklima. Wobei mein direktes Team immerhin großartig ist. Eigentlich sogar sehr. Ich habe Angst, die Fortbildung neben dem Job nicht zu schaffen. Ich habe Angst, dass am Ende auch die Berufs - Alternative mich überfordern wird. Wieder ein Beruf, ein Tätigkeitsfeld mit viel Menschenkontakt. Wenn auch ohne den immensen therapeutischen Anspruch an mich. Wenn ich denn überhaupt erst eine adäquate Stelle dazu finden kann.
Viele Fragen und Ängste. Alles auf dem Hintergrund dessen, dass mir in Wahrheit selbst das Familienmanagement nicht leicht von der Hand geht, was leider auch überall zu sehen ist. Es ist nicht einfach und ich möchte meinen, das Ding mit dem Job und der darunterliegende Grund sind gewiss ein handicap. Ebenso die häufig so wackelige Stimmungslage, die die zugrundeliegende Erkrankung so mit sich bringt. Dennoch irgendwie denke ich, es geht uns eigentlich ganz gut. Mit ein paar Päckchen und Paketen. Aber wer trägt schon keine?

Mittwoch, 5. Juni 2013

Tagebuchbloggen im Juni

Von Frau Brüllen ins Leben gerufen, mache ich gerne wieder mit. Nicht zuletzt, weil sonst mein blog völlig verstaubt....
Hier gibt es derzeit absolut keine "normalen" Alltagsgeschichten, weil die Tage hier momentan sehr speziell sind. Ich mache seit Ende Mai eine ambulane Reha sehr nahe an meinem Zuhause. Hier gibts also dazu nun einen Einblick.
Der Morgen startet mit lautem Wutgeschrei der großen Tochter, die keine kurze Hose anziehen soll. Wir sind da offensichtlich sehr unterschiedlicher Meinung... Viele Tränen und die normale Morgenroutine später bringe ich das große Kind zur Schule beziehungsweise zu meiner Schwester, von wo aus sie zu Fuß weitergeht. Ein paar Minütchen lang quatsche ich mit der Schwester und einem Freund, der derzeit aus dem Berner Oberland zu Besuch dort ist. Das kleine Kind bringt der Gatte zu Fuß in den Kindergarten. Für mich geht es dann auf in die Klinik. Ich bin zeitig da, also setze ich mich noch zu meiner Gruppe an den Tisch und frühstücke ein wenig mit. Der erste Termin beginnt um halb neun, Qi gong. Da es sonnig und trocken ist, wird das Ganze nach draußen auf die Wiese verlagert. Die Klinik ist umgeben von ziemlich viel Wiese (und von der ziemlich vielen Wiese ist der große Teil ziemlich kurzgeschnittene, gepflegte Wiese mit gewollten Löchtern und Fähnchen darin....). Unter Vogelgezwitscher und mit Sonne auf der Haut also eine Stunde fließende Entspannungsübungen. Wenig schön daran ist, dass ich immer wieder mit Schwindel zu kämpfen habe, was aber bei nahezu jeder Entspannungsübung vorkommt und demnach nichts Neues ist. 
Anschließend gönne ich mir ein Zigarettchen bevor es zum nächsten Termin geht: Indikationsgruppe Stress. Hier werden verschiedene Stressbewältigungen und Umgangsformen mit Stress erarbeitet und besprochen. Um elf Uhr ist der Termin vorbei und ich hab ein Weilchen Zeit für Kaffee und zum Lesen. Um viertel vor zwölf folgt ein Gespräch mit der Ärztin, die mir überraschenderweise ein Zimmer zuweist. Grund hierfür war, dass ich in Gesprächen angebracht hatte, dass ich erhebliche Probleme habe zur Ruhe zu kommen, da ich als ambulante Patientin nahezu keine Rückzugsmöglichkeit habe. Ich brauche meine Zeit ohne Menschen und merke, wie sehr mich das stresst. Um so erfreuter war ich über diese Lösung....
Beim Mittagessen treffe ich auf meine "Anreisegruppe" - wir reisten alle am selben Tag an und werden auch am selben Tag abreisen. Zumindest die Anderen, ich geh ja jeden Abend heim... Es wird viel geredet bei Tisch, eine tolle Truppe. 
Direkt nach dem Mittagessen steht Nordic Walking auf dem Programm. Ich entscheide mich, heute eine langsame Runde zu gehen, bisher waren es immer 4-5 km in 35-45 Minuten. Das ist mir heut zuviel und es werden ein bisschen weniger Kilometer.
Anschließend gehe ich auf das mir zugewiesene Zimmer und genieße es, endlich einmal niemanden um mich herum zu haben, kein Kontakt, keine Stimmen, keine Gespräche, einfach nichts. Erholsame Minuten, endlich ein paar davon. Es strengt mich tatsächlich wahnsinnig an soviel unter Leuten zu sein.
Gegen drei steht Gestalttherapie auf dem Plan. Im Normalfall wird dort gemalt und ähnliches um später so manches dort hinein interpretiert zu bekommen. In der Klinik wo ich vor vielen Jahren war mochte ich es. Weil Zeit, Ruhe und Muße da war. Hier nur ein schnelles Abhandeln - innert 45-50 Minuten malen/gestalten und 1-2 Minuten Reflektion für jeden Gruppenteilnehmer. Als wenig sinnvoll erachte ich das Ganze deshalb hier. Heute aber gab es statt Gestalten einen Achtsamkeitsspaziergang durch den kleinen angrenzenden Wald. Ein wenig sich Einlassen auf die Natur - wenn auch das Ausblenden der nebenan viel befahrenen Straße ziemlich schwierig ist. Die Gruppe geht wie gefordert schweigend durch den Wald. Während sich die Therapeutinnen unterhalten. Unprofessionalität lässt grüßen. Nach einer Stunde treffen wir wieder in der Klinik ein; ich trinke noch einen Kaffee und mache mich dann ungewöhnlicherweise um viertel nach vier auf nach Hause. Bisher war ich selten vor sechs daheim. Ich blogge, bade das kleine Kind und mache mich wieder auf zur Klinik. Eigentlich sollte ein Anti Aggressionstraining stattfinden, was aber ausfällt. Ich bin aber mit den Mädels aus der Anreisegruppe verabredet, ins Restaurant gegenüber zu gehen. Wir sitzen, schwatzen, lachen und führen ernste Gespräche bis 22 Uhr. Und sind uns einig, es wirklich gut mit uns getroffen zu haben. Ein schönes Gefühl.
Um halb elf sitze ich am Rechner, blogge weiter und erledige noch ein paar Dinge. Gegen elf werde ich vermutlich ins Bett gehen wollen, was nicht klappen wird. Und wenn ich dann um Mitternacht herum wirklich im Bett liege, werde ich wieder nicht schlafen können. Und des Nachts aufwachen. Einmal weil das kleine Mädchen in mein Bett kommt und drei Mal einfach so.
Im nächsten Monat wird dann so langsam wieder Alltag eingekehrt sein, inklusive Rückkehr an den Arbeitsplatz, aber das wird sich vermutlich erst mal wieder einpendeln müssen...