Montag, 4. Januar 2010

Vom Lernen

Lernen ist wohl ein Prozess, der uns ein Leben lang begleitet oder begleiten sollte. Tag für Tag ist es deutlich zu sehen an den Kindern. Das Babylein schafft nahezu jeden Tag ein klein wenig Neues, kommt ein klein wenig höher, dreht sich ein klein wenig weiter, schneller. Erkennt ein klein wenig mehr.
Aber auch das grosse Kindelein macht so seine Erfahrungen und lernt die Welt kennen, begreifen und auch, sie für sich zu verändern. Ihre kleine Welt.
Manchmal stellen sich dazu Fragen. Was soll sie lernen und wie soll sie lernen zum Beispiel. Beide Fragen sind inzwischen für mich, für uns im Alltag in den Hintergrund gerückt. Einfach, weil sie momentan sehr vieles lernt, was sie lernen will; sie lernt, weil es sich aufgrund verschiedener Ereignisse so ergibt. Sie lernt, weil sie lebt, die Augen und Ohren offen hat und sich heraussucht, was sie reizt. Dem geben wir nach, darauf steigen wir ein, antworten auf Fragen, erklären, zeigen. Manchmal mit der Taschenlampe als Sonne und der Mandarine als Mond, manchmal als zeigender Finger, manchmal mit Worten.
Ob das gut sei fürs Kind fragt da manchmal mancher. Und ich frage mich - warum sollte das schlecht sein? Ein Kind, das interessiert ist an Farben wird sie sehen, suchen, zusammenbringen. Es wird sicherlich Farben verschiedenster Art besitzen, bekommen: an und in den Dingen sowie als Farbe im künstlerischen Sinne: Stifte verschiedener Arten, Wasserfarben, Plakafarben, Kreide. Wer würde dem Drang zu malen, Bilder zu schauen, zu beschreiben, Farben zu mischen Einhalt gebieten? Und wieso sollte man?
Ein Kind, das sich gerne bewegt, was Spass hat am Klettern, Rennen und Ballspielen wird sich austoben dürfen. Der eine im Verein, der andere im Garten.
Ein Kind, was früh fasziniert ist von Buchstaben und Zahlen, was diese findet, ohne zu suchen, irgendwann dann auch zu suchen beginnt und noch mehr findet, was fragt, was wissen will, sollten ihm Antworten verwehrt werden? Nein, warum auch?
Soll es ein Grund sein, nicht zu antworten, weil das Kind noch klein ist? Weil es noch längst nicht zur Schule geht und es weder Buchstaben noch Zahlen lernen muss? Weil es dann irgendwann später genau dies erst in der Schule lernen soll? Wird es ihm sonst nicht in der Schule langweilig werden?
Sollten wir aus solchen Gründen das Kind in seinem Interesse bremsen? Ihm ausweichend antworten oder gar keine Antworten geben?
Nein.
Ich denke, genau damit würden wir dem Kind keinen Gefallen tun. Ich anworte auf ihre Fragen, ich fördere Interesse, das sie mir zeigt. Ich schenke dem Kind so Buchstaben und Zahlen Dinge. Und es gibt Zeiten, da saugt sie sie auf und Zeiten, da legt sie sie weg. Ich setze mich nicht mit ihr hin, um ihr Lesen beizubringen. Ich setze mich zu ihr und sie liest. Und wenn sie nicht mehr weiss, wo sie ist und mich um Hilfe bittet, leihe ich ihr meinen Finger, zeige ihr wo und wie es weitergeht.
Was ist dabei? Gut, sie ist 4 Jahre alt. Und? Sie ist wie sie ist. Ich finde toll, wie sie ihre Welt begreifen will, wie sie sie für sich verändert. Ich habe mir nicht gewünscht, dass sie lesen lernt. Sie aber. Und sie tut es. Warum sollte ich ihr das wegnehmen? Sie hat genauso Interesse an vielen anderen Dingen. Rollenspiele, malen, sich bewegen, an Geschichten.
Wie es sein wird, wenn sie zur Schule geht - wie kann ich das jetzt wissen? Vielleicht wird sie sich langweilen, vielleicht aber auch nicht. Nur weil es sein könnte, würde ich sie aber in ihrem lernen wollen nicht bremsen. Es geht ihr gut dabei. Sie ist ausgeglichener, wenn ich sie lasse. Lesen lasse, schreiben lasse, zählen lasse, ihr Zahlenzusammenhänge zeige. Ich würde ihr wohl kaum einen Gefallen damit tun, ihr zu sagen: "ach, dafür bist Du noch zu klein" oder ihr Interesse daran einfach unter den Teppich fallen zu lassen und sie davon abzulenken.
Sie lernt, Tag für Tag. So wie das Baby. Und ich. Und der Gatte. Und alle anderen.
Sie ist besonders, ja ganz sicher. Nicht, weil sie etwas kann, was sie noch gar nicht können müss. Einfach, weil sie sie ist.


4 Kommentare:

Logosuse hat gesagt…

Liebe Tonni,
es sagt sich leicht; ich weiß. Aber: mach Dir nicht so'n Kopp! Es ist Euer Weg. Eure Art und Weise. Und dann passt es auch.Punkt.Ob und was gut für's Kindelein ist wisst Ihr (und das Kindelein). Wer sich reinhängt und kritisiert hat *keine Ahnung oder ist neidisch* ;-) Solche Kommentare und *unterschwellige* Kritik kenne ich übrigens zur Genüge. Ich überhöre es inzwischen ;-)

LG Suse

Claudia hat gesagt…

Liebe Tonni,
wenn das Kind scheinbar "nix" lernen mag, kommen Kommentare, wenn es scheinbar "zu viel zur falschen Zeit" lernen mag, kommen auch Kommentare. Ohren auf Durchzug und gut ist! Ihr macht das schon richtig (sogar ganz nach Montessori!) und was "in der Schule" sein wird, wird sich zeigen. Es gibt auch Kinder, die überspringen mal ne Klasse...
LG Claudia

tonni hat gesagt…

logosuse:
viel sind es einfach lieb gemeinte und interessierte nachfragen. aber klar - nicht immer. dann stell ich auch auf durchzug.
gerade bei wissen, was in der schule vemittelt wird, ists wohl die frage aller fragen: lesen, schreiben und zahlen gehören rein "gesellschaftlich" oder "in der Norm" gesehen wohl eben vor allem da hin.
blödsinn - find ich jetzt.

claudia
schööön dich zu lesen ;-)
und eben: was in der schule sein wird sehe ich, wenn das kind dann mal in der schule ist. genau meine meinung!

schussel hat gesagt…

Ich finde das ganz genau richtig, wie ihr das macht. Ich war nämlich auch so ein Kind, das mit vier lesen lernen wollte (und es auf dieselbe Weise tat). Und das schlimmste, was ich die ganze Schulzeit über immer wieder zu hören bekam, war "dafür bist Du noch zu klein/das macht ihr erst nächstes Jahr/das kannst Du noch nicht wissen". Ich finde es ziemlich unnötig und schädlich, die Neugier eines Kindes, das freiweillig (!) und mit Spass (!) lernen will, auszubremsen, weil in irgendwelchen Plänen steht, was man wann lernen soll.
Und die Schule hab ich auch überlebt. Bis dahin ist ja noch Zeit...